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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein
Autoren: Ravensburger
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groß genug war.
    Er genoss die Fahrt durch die Wetterau, die sich in sanften Hügeln vom Taunus bis fast nach Frankfurt erstreckte. Die Straßen waren frei, das goldgelbe Korn stand hoch. Bald würde die Ernte eingefahren werden, bei diesem Gedanken musste er lächeln.
    Ihr Haus in Preungesheim befand sich in einer kleinen Wohnstraße, die man nur schwer einsehen konnte. Die Bürgersteige waren vollgeparkt. Die Luft flimmerte über dem heißen Blech der Autos, als wollte sie sich verflüssigen. Flugzeuge zeichneten mit ihren Kondensstreifen Kreidestriche an den Himmel, die im Nu verwischten. Gabriel spürte, wie der Schweiß unter seinem Helm prickelte.
    Langsam fuhr er an ihrem Haus vorbei. Alle Jalousien waren heruntergelassen, ihr Fahrrad stand noch nicht vor der Haustür. Er stellte den Roller eine Straße weiter ab, befestigte seinen Helm mit einem Bügelschloss am Gepäckträger und fuhr sich mit der Hand über den fast kahl geschorenen Kopf.
    Er klappte den Sitz seines Rollers hoch und kramte einen kleinen Werkzeugkoffer hervor. Dann schraubte er die Motorverkleidung ab und tat so, als müsste er etwas reparieren. Von der Straßenecke aus hatte er perfekte Sicht auf das Haus, das noch immer in der Mittagssonne zu dösen schien.
    Zwei Wochen hatte er sie nicht gesehen. Zwei Wochen, in denen er beinahe verrückt geworden wäre. Er wusste, wo Judith ihren Urlaub verbracht hatte. Beinahe wäre er ihr sogar nachgefahren. Aber das wäre natürlich der reinste Unsinn gewesen. Deshalb war er geblieben und hatte die zwei Wochen für die notwendigen Vorbereitungen genutzt.
    »Alles okay?«, fragte eine Stimme hinter Gabriel. Er zuckte zusammen und unterdrückte einen Fluch. Wie hatte er nur so unachtsam sein können! Gabriel schob dieSonnenbrille zurecht. Dummerweise hat er grade seine Kappe nicht auf. Dafür verfluchte er sich ein zweites Mal. »Alles okay«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    »Ich kenne mich mit diesen Dingern aus. Hab selber so eine Vespa. Der Zündzeitpunkt verstellt sich immer.«
    Gabriel nickte. Noch immer wagte er nicht, sich zu der Stimme umzudrehen. Denn sie war ihm wohlbekannt. »Ja, ich weiß. Und der Vergaser arbeitet auch nicht immer sauber.« Mit einem Steckschlüssel schraubte er die Zündkerze heraus und wischte sie an einem schmutzigen Lappen ab. Auch jetzt noch hielt er dem Jungen hinter ihm den Rücken zugewandt.
    »Na denn«, sagte die Stimme verwirrt und ein wenig ärgerlich. »Viel Erfolg noch.«
    »Danke«, murmelte Gabriel.
    Schritte entfernten sich. Erst jetzt hob Gabriel den Kopf. Er blickte der Gestalt nach und lächelte.

    Der Sommer hatte die Stadt gebleicht. Das Rot der Werbeflächen hatte sich ins Lachsfarbene verdünnt, das Grün der Bäume und Wiesen war leblos und staubig geworden, der Himmel nur noch eine Ahnung von Blau wie bei einem Foto, das zu lange in der Sonne gelegen hat. DieAutos krochen träge wie riesige Insekten über den Alleenring.
    Judiths Beine brannten und fühlten sich an wie Blei. Mühsam wich sie den Schlaglöchern auf den Radwegen aus. Der warme, trockene Fahrtwind trieb ihr Tränen in die Augen. Der Schweiß lief in Strömen den Rücken hinab. In diesem Moment hätte sie alles für eine kalte Dusche gegeben, doch dazu würde sie erst nach dem Treffen kommen. Dem Treffen, vor dem sie sich schon den ganzen Tag fürchtete.
    Sie hatte auf dem Fahrrad Musik gehört, obwohl sie wusste, dass es elegantere Wege gab, um einen Unfall zu bauen. Als sie in ihre Straße einbog, zog sie sich die Stöpsel aus den Ohren. Sie sah ihn schon im Schatten auf den Haustürstufen sitzen. Ihre Mutter war heute nicht zu Hause. Judith verspürte wieder – wie vor jeder unangenehmen Situation – dieses verräterische Ziehen im Magen. Unangenehm war in diesem Fall noch geschmeichelt: Wut war in ihr. Enttäuschung. Natürlich auch Angst. Sollte – konnte sie das alles für sich behalten?
    Jan stand auf und lächelte zur Begrüßung. Judith stieg ab und schloss ihr Fahrrad an das Treppengeländer an. Ihre Hände zitterten, als sie den Bügel einrasten ließ.
    »Hi Süße«, sagte Jan.
    Sie war so wütend, dass ihr sein Lächeln wie ein falschesGrinsen vorkam. Sie hob abwehrend beide Hände, als er sie umarmen und küssen wollte.
    »Nein!«, sagte sie brüsk. »Nein.«
    Judith las Verunsicherung in seinen Augen. Jenen Augen, von denen sie immer gedacht hatte, sie könnten nicht lügen.
    »Ist alles okay mit dir?«, fragte er vorsichtig.
    Judith antwortete nicht, sondern
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