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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein
Autoren: Ravensburger
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nach Hause eskortieren, was in Anbetracht der zu erwartenden Anzeige keine besonders erheiternde Vorstellung war.
    Judith nickte. Der Mann wies auf die hell erleuchtete Tür eines flachen Anbaus. »Da lang.«
    Das Büro, wenn man es denn so nennen wollte, war ein schäbiger, schummriger Raum mit zwei kleinen Fenstern,an denen die Jalousien heruntergelassen waren. In seiner Mitte stand ein unordentlicher Schreibtisch, vermutlich ein Sperrmüllfund. Kisten und Kästen türmten sich in einem vollgestopften Regal; mittendrin gurgelte eine alte Kaffeemaschine lustlos vor sich hin. Aus einem kleinen, unsauber eingestellten Radio plärrte ein Schlager.
    »Setz dich«, sagte der Mann und wies auf einen billigen weißen Klappstuhl, der vor dem Schreibtisch stand.
    Judith nahm Platz. Mit einem Mal kam sie sich unter dem forschenden Blick dieses Kerls ziemlich nackt vor. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
    Der Hund kam herein und beäugte sie neugierig. Judith streckte die Hand aus, damit er an ihr schnüffeln konnte. Schließlich leckte er über ihre Finger und ließ sich streicheln.
    »Hast du Angst vor mir?«, fragte der Mann.
    Sie schwieg. Der Hund verzog sich auf seine Decke und begann, an einem getrockneten Schweineohr herumzukauen.
    »Mach dir keine Gedanken.« Seine Stimme klang jetzt freundlicher. »Du bist nicht mein Typ. Falsches Beuteschema.« Er deutete auf den Hund. »Aljoscha mag dich. Willst du was trinken?«
    Judith stellte fest, dass sie tatsächlich einen Riesendurst hatte. Sie nickte.
    Der Mann nahm eine Flasche aus einem Getränkekasten und füllte ein großes Glas, das er ihr reichte. »Ich heiße Bogdan.« Das Wasser war warm und ohne Kohlensäure.
    Bogdan setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf der Armlehne. Dann seufzte er, als hätte er einen Entschluss gefasst.
    »Dauernd steigen hier nachts irgendwelche Spinner wie ihr ein, die Party machen wollen und dabei eine unglaubliche Sauerei hinterlassen: Glasscherben auf der Wiese, wo alle barfuß rumlaufen, sind nicht wirklich witzig. Jeden Morgen muss ich erst mal aufräumen. Aber was glaubst du, wie oft ich einen Krankenwagen rufen muss, weil irgend so ein besoffener Idiot meint, einen Kopfsprung ins Babybecken machen zu müssen. – Und übrigens bin ich ein ziemlich netter Kerl. Ehrenwort. Auch wenn ich nicht so aussehe.«
    Judith musste unwillkürlich lächeln. »Nein, Sie sehen wirklich nicht so aus, als würden sie Überraschungseier sammeln.«
    Er sah sie verdutzt an. Dann lachte er dröhnend und schüttelte den Kopf. »Wie kommst du denn jetzt nach Hause?«
    »Mit dem Fahrrad«, sagte sie.
    Er blickte zur Uhr über der Tür hinüber. »Es ist nach eins. Um diese Zeit sollten sich Mädchen in deinem Alternicht mehr aufs Fahrrad schwingen.« Er zog einen Zwanzigeuroschein aus seiner Brusttasche. »Hier. Ich rufe dir ein Taxi. Du kannst mir das Geld ja wiedergeben, wenn du morgen dein Rad abholst. Gib’s einfach an der Kasse ab. Sag, es ist für Bogdan.«
    »Danke«, sagte sie überrascht.
    »Bedank dich bei Aljoscha.« Der Hund hob den Kopf und spitzte die Ohren, als er seinen Namen hörte.
    »Danke, Aljoscha«, sagte Judith matt. Sie wollte aufstehen, knickte aber plötzlich ein. Der Boden schwankte unter ihren Füßen. Sie bekam zwar noch die Stuhllehne zu fassen, stolperte aber und wäre hingefallen, wenn Bogdan nicht geistesgegenwärtig aus seinem Sessel gesprungen wäre und sie aufgefangen hätte.
    »Whoa!«, rief er aus. »Vorsicht!«
    Judith schloss die Augen, spürte die kräftigen Muskeln und roch das Rasierwasser des Mannes. Jan benutzt dasselbe, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe es ihm geschenkt. Ihr wurde schlecht, eine Welle der Übelkeit stieg in ihr hoch und sie stöhnte.
    »Vielleicht sollte ich lieber einen Notarzt rufen«, sagte Bogdan.
    »Nein!«, wehrte Judith ab und wand sich aus Bogdans Armen, nur um sich an der Schreibtischkante festzuhalten. »Mir geht es gut!«
    »Ja, natürlich. Und ich bin der Kassenwart des hessischen Landfrauenverbandes«, sagte Bogdan trocken. »Hör mal, Kind …«
    »Judith«, sagte sie. »Ich heiße Judith.«
    »Hör mal, Judith, ich will dir nicht zu nahe treten, aber du siehst nicht gerade wie das blühende Leben aus …«
    »Ein Taxi reicht völlig – wirklich«, schnitt sie ihm das Wort ab und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Sie hatte es stumm gestellt und deswegen nicht bemerkt, dass ihre Mutter in der Zwischenzeit
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