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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein
Autoren: Ravensburger
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dreimal angerufen hatte. Auch Kims Nummer war auf dem Display. »Das Einzige, was mir fehlt, ist Schlaf.« Sie setzte sich wieder auf den Stuhl. Aljoscha saß noch immer aufrecht auf seiner Decke und spitzte die Ohren.
    »Davon dann aber ziemlich viel«, meinte Bogdan und holte ihr eine Tasse Kaffee. »Milch und Zucker sind aus. Du musst ihn so trinken.«
    Judith nippte an der Tasse und verzog das Gesicht.
    »Zu heiß?«, fragte Bogdan.
    »Wie oft ist der schon aufgebrüht worden?«, fragte sie und nahm noch einen Schluck. Besser wurde er davon nicht.
    »Er steht schon etwas länger«, gab Bogdan zu. »Willst du reden?«
    Judith sah ihn fragend an.
    »Du siehst aus, als würdest du gerade eine ziemlich beschissene Zeit durchmachen«, sagte Bogdan.
    »Ist das so offensichtlich?« Sie stellte die Tasse auf dem Schreibtisch ab. Der Kaffee war zwar höllisch stark und schmeckte nach allem Möglichen, nur nicht nach hundert Prozent Arabica.
    »Als ich so alt war wie du, hab ich so einiges durchgemacht. Und konnte damit nicht zu meinen Eltern gehen. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    Judith verstand. Wenn Bogdan in ihrem Alter herausgefunden hatte, dass Mädchen nicht in sein Beuteschema fielen, hatte er nicht nur zu Hause ein Problem gehabt.
    »Es ist nichts«, sagte sie. »Wirklich.«
    »Dafür raubt es dir aber ganz schön den Schlaf. Lass mich raten: Enttäuschte Liebe?«, fragte er.
    »Ich sag ja: Es ist nichts«, sagte Judith leise.
    Bogdan lächelte. »Ganz im Gegenteil: Enttäuschte Liebe ist alles! Sie quält dich wie ein schleichendes Gift. Sie raubt dir die Kraft. Sie macht dich kalt und hart. Und das ist wie eine doppelte Strafe. Wusstest du, dass Menschen wirklich an gebrochenem Herzen sterben können? Kein Witz! Dafür gibt’s sogar einen medizinischen Begriff: Stress-Kardiomyopathie.«
    »Nein, wusste ich nicht«, gab sie zu. Zum zweiten Mal in dieser Nacht hatte er sie überrascht. Erst durch seineverständnisvolle Art, die im krassen Gegensatz zu seinem Äußeren stand. Und dann benutzte er auch noch diese hochgestochenen Wörter! Von wegen schlicht gestricktes Muskelpaket. Auf einmal schämte sie sich, weil sie ihn so unterschätzt hatte.
    »Nun, dann hast du heute was fürs Leben gelernt«, sagte er. »Liebe kann dich umbringen. Zu viel oder zu wenig davon, vollkommen egal. Sie ist das Schönste auf der Welt. Aber wehe die Dosis stimmt nicht, dann erwischt dich eine Stress-Kardiomyopathie.«
    »Ich versuch daran zu denken«, sagte Judith.
    Bogdan kniff ein Auge zu und musterte sie spöttisch. »Ich will jetzt nicht wissen, was du von mir denkst. Aber eines sage ich dir …« Er beugte sich vor und sah sie ernst an. »Die wirklich gefährlichen Jungs erkennt man nicht auf Anhieb. So, und jetzt rufen wir ein Taxi.«

    Der Wind rauscht leise in den Blättern des Kirschbaums, erzählt seine Geschichte vom endlosen Himmel, von Blumen und frisch gemähtem Gras, das so grün ist wie die Augen der Mutter, die hinter dem Haus ein weißes Laken auf die Leine hängt und sich dann das Haar mit einer müden Geste aus dem blassen Gesicht streicht. Der Junge liegt aufeiner groben Decke, die nach Stall und Tieren riecht und ein wenig kratzt.
    Er will nicht mehr alleine unter dem Baum liegen.
    Das Rauschen des Windes hat ihn müde gemacht, aber er will nicht schlafen.
    Er will bei seiner Mutter sein, ruft nach ihr. Aber sie wartet nicht auf ihn, dreht sich noch nicht einmal nach ihm um. Er sieht nur ihre roten Haare und das helle Sommerkleid. Als sie um die Ecke verschwindet, wird sein Rufen zu einem Heulen. Er läuft schneller, stürzt, schürft sich die Hände auf, betrachtet die blutenden Knie.
    Rot.
    Warmes, klebriges Rot.
    Er steht wieder auf und rennt ihr nach.
    Sie spielt nicht mit ihm. Das tut sie nie. Sie läuft vor ihm davon. Dabei will er nur von ihr in den Arm genommen werden. Aber das macht sie selten. Und wenn, dann fühlt es sich hart an. Knochig. Kantig. So als müsste er um eine Liebe kämpfen, die er schon lange verloren hat.
    Aber er kämpft weiter, Tag um Tag. Sucht ihre Nähe, ihren Geruch, ihre Berührung, obwohl sie ihm manchmal wehtut. Besonders wenn er Angst hat, dass sie wegen ihm geht und nicht wiederkommt.
    So wie jetzt.
    Doch das stimmt nicht. Sie steht im Hof und beschattetdie Augen mit der Hand, denn die Sonne steht tief. Der Junge klammert sich an ihrer Hüfte fest und diesmal schüttelt sie ihn nicht ab. Aber sie schaut ihn nicht an. Deswegen bemerkt sie auch nicht, dass sein Knie
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