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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein
Autoren: Ravensburger
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schlafen gehen. Er war müde und ausgelaugt und sehnte sich nach seinem Bett. Die Polaroid war leider heute nicht zum Einsatz gekommen, aber das war nicht weiter schlimm. Es würden sich weitere, bessere Gelegenheiten ergeben. Er fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Er hatte die Saat ausgebracht. Jetzt musste er nur warten, bis sie aufging.

    Die Dunkelheit beginnt zu leben, dachte Judith und trat einen Schritt aus den nächtlichen Schatten heraus. Sie konnte hören, wie die Stille sich kräuselte, raschelte,summte. Die Luft war noch immer warm und klebrig. Ihre Haut glänzte. Kein Windhauch regte sich. Die Luft war dumpf und schwer. Judith wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Oberlippe und tat einen weiteren Schritt nach vorne, die rechte Hand ausgestreckt.
    Es mussten Hunderte von Eintagsfliegen sein, die in den fahlen Lichtkegeln der wenigen Straßenlaternen tanzten, als wüssten sie, dass für ihren Hochzeitsflug nur diese eine Nacht blieb. Judith berührte den Mast, dessen Metall warm und rau und staubig war, spürte das dumpfe Vibrieren der Transformatoren und schloss die Augen, um in sich hineinzulauschen. Ein leises Kribbeln kroch ihren Arm hinauf und trotz der tropischen Nacht bekam sie Gänsehaut.
    »Judith …«
    Sie öffnete die Augen und drehte sich um.
    »Was machst du denn da?«, fragte Kim entgeistert.
    »Nichts«, sagte Judith und zog ihre Hand zurück. Das Summen erstarb.
    »Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht, weil du auf einmal verschwunden warst.« Kim trat zu Judith ins Laternenlicht. »Deine Hand ist ja ganz dreckig«, stellte sie fest.
    Judith zuckte mit den Schultern. »Ich bin okay, mach dir keine Sorgen«, sagte sie.
    Kim schwieg einen Moment, als hätte sie die Lüge herausgehört. »Niels hat eine Zange geholt, um den Zaun aufzuschneiden«, sagte sie schließlich und schüttelte missbilligend den Kopf. »Was für eine dämliche Idee! Wir handeln uns noch einen Riesenärger ein.«
    »Sachbeschädigung«, meinte Judith trocken.
    »Und Hausfriedensbruch«, ergänzte Kim. »Wir sollten uns lieber nicht erwischen lassen …«
    Judith grinste halbherzig. Sonst war sie für fast alles zu haben, wenn der zu erwartende Spaß das Risiko rechtfertigte. Aber nicht heute. Nicht in dieser Nacht.
    Sie folgte ihrer Freundin durch das dichte Gebüsch, zerkratzte sich Beine und Arme an dornigen Sträuchern, deren Laub so trocken raschelte, als wäre schon Herbst.
    Das Loch im Maschendrahtzaun war viel zu klein. Niels hatte sich mit seinem Seitenschneider offenbar keine besondere Mühe gegeben. Selbst die kleine, zarte Kim konnte sich nur mit Mühe durch das Loch quetschen. Glücklich auf der anderen Seite angekommen, musste sie für Judith das Drahtgewebe auseinanderhalten, damit sie die Schultern hindurchstecken konnte.
    Was für eine Scheiße, dachte Judith. Kim hatte Recht gehabt. Es ging ihr wirklich total schlecht. Am liebsten wäre sie zu Hause geblieben, aber was hätte das gebracht? Sie hätte nur in ihrem stickigen Zimmer auf dem Bettgelegen und die ganze Zeit an Jan gedacht, seine Lügen, seinen Verrat, seinen Betrug. Deshalb hatte sie ihre letzte Kraft zusammengenommen und war mit den anderen rausgegangen, um das Ende der Sommerferien zu feiern. Als ob es den geringsten Grund zum Feiern gegeben hätte.
    Behutsam befreite sie ein paar hängen gebliebene rote Locken aus dem Drahtgeflecht des Zauns und trat auf die andere Seite.
    Das Erste, was sie im fahlen Licht sah, waren Hosen und T-Shirts, Chucks, Sandalen und Flip-flops, über die ganze Wiese verstreut. Mehrere nackte Schatten huschten kichernd den Weg hinauf. Irgendjemand, der gedrungenen Gestalt nach zu urteilen musste es Niels sein, hatte eine kleine Taschenlampe eingeschaltet.
    Judith zögerte, als auch Kim begann, sich auszuziehen. Kim war klein, schwarzhaarig und auf eine atemberaubende Art koreanisch. Judith wunderte sich immer, wie ein so hübsches Mädchen dermaßen zurückhaltend sein konnte. Judith glaubte, dass Kims extrem religiöse Adoptivmutter hinter dieser übertriebenen Schüchternheit steckte. Wenn sie gewusst hätte, was Kim hier trieb, hätte sie wahrscheinlich einen Herzanfall erlitten, der sie dem herbeigesehnten Paradies schlagartig ganz nahe gebracht hätte. »Ich nehm mal an, du kommst nicht mit«, sagte Kim.
    »Nein«, sagte Judith.
    Kim zog sich das schwarze Top über den Kopf. Nur den Slip ließ sie an. Sie war unschlüssig.
    »Geh schwimmen. Ich glaube, Niels wartet schon auf
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