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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich
Autoren: Penny Hancock
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die Gefühle durchgegangen. Ich habe etwas gesagt, dass ich nicht hätte sagen sollen, und ich habe Angst. Ich habe wirklich Angst, dass sie es ernst genommen hat. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich alles kaputtgemacht hätte. Wenn Helen glauben würde, ich hätte sie aufgegeben. Oder wenn sie eine Dummheit begangen hätte, und es wäre alles meine Schuld …«
    Ich sehe Mick weiter an und versuche, keine Miene zu verziehen.
    »Nachdem Helen verschwunden ist, hält die Polizei Selbstmord oder einen vorgetäuschten Selbstmord für möglich. Beten wir, dass sie es nur vortäuscht. Das könnte ich ihr nicht mal verübeln.«
    Ich muss etwas sagen, kann es aber nicht. Aus seinen Augen spricht Angst. Auch wenn Helen dachte, Mick würde etwas für ihre Schwester empfinden, ist ihm im Grunde immer noch Helen wichtig.
    Panik steigt in mir auf. Was habe ich ihm angetan? Und Helen? Ihrer ganzen Familie? Ich kann nicht durchziehen, was ich vorhatte. Nach alldem kann ich Helen die Sache nicht anhängen. Das wäre zu grausam. Mein Herz rast. Ich muss hier raus.
    »Wenn ich irgendwas tun kann … ruf mich an. Ich bin immer da …« Ich stehe auf und gehe zur Tür. »Helen war in letzter Zeit eine wirklich gute Freundin. Es war schön, sie neulich in der Oper zu treffen und den Nachmittag mit ihr zu verbringen, sie hat großartig ausgesehen. Sie zieht sich immer wunderbar an. Ich kenne niemanden, der so gut Farben kombinieren kann. Tut mir leid, Mick. Ich muss jetzt gehen.«
    Als ich die Küchentür erreiche, kommt Helen herein.

K APITEL S IEBENUNDDREISSIG
    Dienstag
    Sonia
    »Maria, das ist Helens Freundin Sonia«, sagt Mick. Diese Frau hat dunkle statt mausbraune Haare und ist schlank statt rundlich. Sie hat Jez’ Augen. Unverkennbar. Die langen Brauen, die dunkelbraune Iris und die halb geschlossenen Lider. Aber in allem anderen gleicht sie Helen.
    Maria nickt, ohne zu lächeln. Ihr Gesicht ist blass und von Falten durchzogen. Sie ist so klein wie Helen, gerade mal eins sechzig, schwer vorstellbar, dass sie Jez zur Welt gebracht hat. Und natürlich hat sie diese bleiche Haut, die nicht braun wird. Offensichtlich hat er sein Aussehen größtenteils von seinem Vater geerbt. Ich kann Maria auf Anhieb nicht leiden, nachdem sie so in Helens Leben getrampelt ist und ihre Ehe kaputtgemacht hat. Ohne sie wäre Helen letzte Nacht nicht zu mir gekommen. Sie würde jetzt nicht auf dem Grund des Flusses liegen, zwischen Autoteilen und Ölfässern und Schuhsohlen.
    »Ich habe mit Tom geredet«, sagt Maria und geht zum Wasserkocher. Im Gegensatz zu Helen mit ihrem extravaganten Stil ist sie klassisch gekleidet mit einem grauen Wollrock und einer teuer aussehenden Bluse. Agnès B, höre ich Helen sagen. Die ehrgeizige Mutter, deren Mann sie satthatte und deren Sohn lieber nicht bei ihr wohnen würde. Ich mag sie nicht und erwarte nicht, dass sie mich mag. Deshalb bin ich überrascht, als sie mir einen Kaffee anbietet.
    »Nein, danke. Ich wollte gerade gehen«, sage ich und strecke wieder eine Hand nach der Tür aus.
    »Wir machen hier die Hölle durch«, sagt sie, bevor ich es nach draußen schaffe. »Sie wissen über Jez Bescheid, oder?«
    Ich nicke.
    »Natürlich, das tun alle. Wir wissen nicht, wie lange wir das noch durchstehen können.«
    Sie lässt die Kanne stehen, setzt sich und sieht mich an. Ihr Gesicht ist noch zerknitterter, als ich im ersten Moment dachte.
    »Sonia wohnt im Flusshaus«, sagt Mick. »Ganz Greenwich beneidet sie.«
    »Oh! Von dem Haus hat Jez ständig erzählt!« Als sie das sagt, hellt sich ihre Miene ein wenig auf. »Er war mal mit Helen bei Ihnen. Da will er wohnen, wenn er erwachsen ist, hat er immer gesagt.« Sie lächelt mit verkniffenen Lippen, als wollte sie sagen, wie absurd junge Leute doch sein können.
    »Die Lage ist wirklich einmalig«, sagt Mick. »Mit Blick auf die Isle of Dogs und Canary Wharf.«
    »Ja, ich weiß noch, dass er davon erzählt hat. Und Sie haben eine Art Plattensammlung in einem Musikzimmer?«
    »Ach, das gehört alles Greg«, antworte ich.
    »Greg! Genau. Ich habe ihn kennengelernt. Bei deiner Geburtstagsfeier, Mick.«
    »Ihm gehört das Album von Tim Buckley, dass Jez sich an dem Tag ausleihen wollte, als er verschwunden ist«, sagt Mick.
    »Buckley kennt er natürlich von mir«, erzählt Maria. »Auch wenn er sich einbildet, er hätte ihn selbst entdeckt. Der Hochmut der Jugend.«
    Mit ihrem matten Lächeln versucht sie, eine Art Verbindung herzustellen. »Komisch, dass
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