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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschlafen zu haben.
    Nun sah er sich Landgerichtsdirektor Dr. Hellmig gegenüber, der Oberstaatsanwalt Dr. Karlssen in einem Flechtsessel gegenübersaß und eine Zigarre rauchte – das bedeutete bei Hellmig, daß er das Nikotin als Stimulans brauchte. Er wandte den Kopf zur Tür, als Doernberg eintrat.
    »Welch ein Zusammentreffen, Herr Doernberg«, sagte er kampfeslustig. Doernberg verbeugte sich knapp und wandte sich an Oberstaatsanwalt Dr. Karlssen.
    »Ich habe dieses Zusammentreffen gesucht. Ich nehme an, daß Herr Landgerichtsdirektor Ihnen über mein gestriges Plädoyer berichtet hat.«
    Dr. Hellmig legte seine Zigarre in den Glasaschenbecher.
    »Ich sprach noch nicht davon, Herr Doernberg. Aber da Sie selbst dieses unerquickliche Thema anschneiden, ist es wohl an der Zeit, darüber zu sprechen.«
    Dr. Karlssen sah von einem zum anderen. »Ich verstehe nicht, meine Herren …« Er lächelte verbindlich. »Ist es zu Kontroversen zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft gekommen?«
    »Nicht direkt.« Landgerichtsdirektor Dr. Hellmig sah auf die Spitze seiner Zigarre. »Ich fühle mich durch eine Äußerung Herrn Doernbergs während seines Schlußplädoyers persönlich in meiner Auffassung vom Strafvollzug angegriffen und – wie soll ich sagen – düpiert.«
    Karlssen blickte schnell zu Doernberg, aber Hellmig sprach bereits weiter.
    »Herr Doernberg ließ sich – ich nehme an, durch seinen jugendlichen Schwung und im Verlauf einer gerechten Empörung über die Untat, die zur Debatte stand – zu einer Äußerung hinreißen, die ich als Vorsitzender nicht ungerügt lassen konnte. Darf ich zitieren, Herr Doernberg?«
    »Ich bitte darum, Herr Direktor«, sagte Doernberg steif.
    Hellmig sah Karlssen scharf an und zitierte wörtlich: »… heute, hier an dieser Stelle, bedauere ich es tief, zu Ihnen, meine Herren Geschworenen, nicht sagen zu können: Ich beantrage die Todesstrafe!«
    Karlssens Gesicht wurde verschlossen. »Das waren die Worte des Herrn Kollegen Doernberg?«
    »Wörtlich.«
    Karlssen warf einen Blick auf Doernberg. Wie bleich er ist, dachte er. Der Junge hat die Nacht nicht geschlafen. »Ich nehme an, daß der Kollege Doernberg in diesem Augenblick mehr sein Gefühl als seinen juristischen Verstand sprechen ließ. Die Sache Katucheit stinkt ja auch vor Scheußlichkeit.«
    Doernberg schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er laut. »Nein – ich überlegte genau, was ich sagte.«
    Hellmig fuhr auf. Sein Gesicht rötete sich.
    »Unerhört!« rief er. »Die Todesstrafe ist durch den Artikel 102 des Grundgesetzes der Deutschen Bundesrepublik abgeschafft worden. Nach eingehender Beratung des Parlamentarischen Rates. Das wurde am 8.5.1949 beschlossen und mit Datum vom 23.5. des gleichen Jahres veröffentlicht. Ich unterstreiche aus religiösen und moralischen Empfindungen voll und ganz diesen Artikel 102 – und das dürfte Ihnen, meine Herren, bekannt sein!«
    »Das war vor acht Jahren! Aus dem Gefühl heraus, Vergangenes auszulöschen, wurden wir demokratischer als demokratisch.« Dr. Doernbergs Stimme zitterte. »In diesen acht Jahren haben sich die Kapitalverbrechen erschreckend vermehrt.«
    »Das streite ich ab!« Hellmig klopfte mit dem Handknöchel auf die Platte des Rauchtisches. »Die Statistik hat ergeben, daß nach einem verlorenen Krieg die Kriminalität immer ansteigt und es eine bestimmte Zeit allgemeiner Beruhigung braucht, bis eine Normalisierung des Lebens eintritt.«
    »Der Krieg ist seit zwölf Jahren zu Ende, Herr Kollege. Ich nehme nicht an, daß die Normalisierung – laut Statistik – über den Zeitraum einer ganzen Generation anhält.« Dr. Karlssens Stimme, ruhig wie immer, war für Hellmig wie ein Stich in das Zentralnervensystem. »Der Lebensstandard ist besser geworden. Es lohnt sich nicht mehr, wegen ein paar Mark einzubrechen oder Äpfel zu stehlen. Da hat die Statistik recht – Rückgang der Kriminalität. Aber um so mehr wachsen die dicken Brocken an.«
    Dr. Hellmig strich sich über sein weißes, glattes Haar.
    »Ich glaube, ich bin unter falschen Voraussetzungen zu Ihnen gekommen, Herr Oberstaatsanwalt«, sagte er steif. »Ich hätte mir denken sollen, daß es hier als einfacher angesehen wird, wenn man einem Menschen den Kopf abschlägt. Jeder Mensch, auch der Mörder, besitzt eine Seele. Und diese Seele ist eine Leihgabe Gottes! Wir haben nicht das Recht, diese Seele vom Körper zu lösen, indem wir mit einem Fallbeil das Leben auslöschen. Das, meine Herren, wäre
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