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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehen überhaupt kein Risiko ein! Wenn wir schnell genug mit den Pistolen sind, haben wir die Chance, nie erkannt und nie gefaßt zu werden.«
    Joe Dicaccio schwankte. Er sah zu Olga Katinsky hinüber. Olga schlief. Sie lag auf dem Sofa, ihr Kleid war hochgerutscht. Das schwarze Haar verdeckte halb ihr Gesicht. Ein Bild, das Joe begeisterte.
    »Na?« fragte Fritz Pohlschläger gespannt.
    »Ich habe keine Lust, wegen 75.000 Mark abzuhimmeln.«
    »Mensch!« schrie Pohlschläger wütend. »Die Todesstrafe ist doch abgeschafft!«
    »Und wenn sie sie wieder einführen?«
    »Wer?«
    »Eure Regierung.«
    Pohlschläger lachte laut. Auch Heidrich und Wollenczy grinsten. »Erstens dauern Beratungen darüber im Bundestag – wenn's dazu kommt – einige Jahre. Zweitens hat bis jetzt jeder Antrag, die Todesstrafe wieder einzuführen, ein seliges Ende gehabt.«
    Olga trat an den Tisch. Vertraulich legte sie Joe Dicaccio die Arme von hinten um den Hals und schmiegte ihr Gesicht an seine Wange.
    »Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend, Darling«, sagte sie dunkel. Joe zog die Nase kraus. Der Gorilla seufzte.
    »Kinder, keine Liebesszene«, sagte er laut. »Det Ding ist heiß genug. Dreh'n wir's oder nicht?«
    »Wenn Joe nicht will, machen wir's allein!«
    »Dann sind es für jeden von uns glatte 100.000 Mark«, rechnete Wollenczy schnell. Er erhob sich. Gemessen, vornehm. Er strich die enge Hose über den Knien glatt. »Von mir aus – wann hast du gedacht, Fritz?«
    »Übermorgen ist der Dreißigste.«
    Heidrich nickte. Sein Affenhaupt pendelte hin und her. »In Ordnung.«
    »Und du, Joe?« Pohlschläger schielte zu Dicaccio hinüber. »Zu feig dazu?«
    »Okay! Übermorgen. Die Waffen hast du?« Joe wandte sich Pohlschläger zu.
    »Ja.«
    »Good night.«
    Ohne sich um die anderen zu kümmern, verließ er das Zimmer. Pohlschläger sah ihm sinnend nach. Eine merkwürdige Angst kroch in ihm hoch. Er kannte Joe nicht wieder. Warum stemmte er sich plötzlich gegen einen Mord?
    Heidrich und Wollenczy verließen nacheinander das dunkle Haus in der Bendergasse. Wollenczy stieg in der nächsten Straßenecke in einen neuen, hellroten Sportwagen, der Liebestribut einer heiratslustigen Witwe aus Stuttgart.
    An der anderen Straßenseite brummte Heidrichs Wagen auf. Ein amerikanischer Ford, bemalt mit gelben Buchstaben. Fruchtimport GmbH.
    Joe Dicaccio ging zu Fuß. Er ging langsam, unauffällig. Ein nächtlicher Bummler, der vom Stammtisch kommt.
    Heidrich, der Gorilla, überholte ihn mit seinem Fordwagen und winkte ihm fröhlich zu. Joe ging weiter, steckte die Hände in die Taschen und spürte das kalte Metall einer Pistole in den Fingern. Schnell zog er die Hand zurück.
    Mord?
    75.000 Mark!
    Ein Leben mit Olga … sorglos und reich.
    Joe Dicaccio fror.
    So sehr er heimlich unter der Sehnsucht nach dem heimatlichen Minnesota litt – – jetzt war er froh, in Deutschland zu sein, wo ein Mord nicht das eigene Leben kostet …
    Sie fuhren mit den Fahrrädern hinaus in die Wälder.
    Es war Mittwoch nachmittag. Freier Behördennachmittag. Die Sonne schien, die Straße staubte unter den dünnen Reifen. Frühsommer. Das Frühlingsgrün der Blätter wurde dunkler, satter. In den Vorgärten blühten die Pfingstrosen und Rhododendron.
    Willy Sänger hatte die Jacke über die Lenkstange gelegt. Sein kurzärmeliges Hemd bauschte sich im Fahrtwind. Neben ihm fuhr Helga Krämer. Ihr blondes Haar umspannte ein buntes Chiffontuch. Der Zipfel des Tuches flatterte hinter ihrem Kopf wie eine kleine Fahne. Ab und zu sah Willy Sänger zu ihr hinüber. So also ist es, wenn man liebt, dachte er dann. Man bekommt keinen Atem mehr, man spürt sein Herz ganz oben im Hals klopfen.
    Nach dem Mittagessen hatten sie sich mit den Rädern vor Helgas Wohnung getroffen. »Was machen wir heute nachmittag?« hatte Helga im Landgericht Willy Sänger gefragt. Es war in einer kurzen Verhandlungspause. Willy Sänger stand auf dem Flur. Er war Protokollführer bei der Strafkammer und mußte die Aussagen der Zeugen und Angeklagten schriftlich niederlegen. Sein amtlicher Titel lautete ›Urkundenbeamter der Geschäftsstelle‹. Er schrieb dreihundert Silben Stenogramm und galt als Star unter den Protokollführern, weshalb er bei großen Prozessen bevorzugt hinzugezogen wurde.
    Helga Krämer arbeitete als Stenotypistin in der Kanzlei. So blieb es nicht aus, daß zwischen Willy Sänger und der blonden, schlanken Helga Krämer ein Funken hin und her sprang. Zuerst sah man sich
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