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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach Dienstschluß zufällig auf der Treppe.
    Die zufälligen Begegnungen häuften sich in der folgenden Zeit sehr augenfällig. Nach zwei Wochen wagte Willy Sänger, Fräulein Krämer zu grüßen. Nach drei Wochen unterhielt er sich mit ihr auf einem Flur.
    Dann nahm Willy Sänger sich einmal die Freiheit heraus, Fräulein Krämer am Ende des Heimweges in der Nische der elterlichen Haustüre zu küssen. Und da Helga ihm nicht handgreiflich antwortete, nahm Willy Sänger an, daß diese kühne Tat gar nicht so dumm gewesen sei, und setzte seinen Ansturm fort.
    Heute nun, an diesem sonnigen Mittwochnachmittag, fuhren sie hinaus in die Natur.
    An einer Gaststätte sprangen sie von den Rädern und schoben sie in eine Ecke des Parkplatzes. Die Terrasse des Cafés war mit weißen Tischen unter bunten, großen Sonnenschirmen bedeckt. Willy Sänger und Helga Krämer setzten sich, bestellten zwei Kännchen Kaffee und sahen hinüber zum Waldrand, hinter dem die geheimen Plätze ihrer seligen Liebe verborgen lagen.
    Aus dem Zuchthaus in Rheinbach wurde an diesem Tage ein Mann entlassen, der in seinem Auftreten, in seinem Wesen, seiner religiösen Bereitschaft (Urteil des Zuchthauspfarrers) und seiner Führung im Zuchthaus so alltäglich war, wie sein gut deutscher Name: Kurt Meyer.
    Meyer mit y – darauf legte er großen Wert. Bei seiner Einweisung, bei allen Schreiben, allen Eingaben, allen Antworten. Meyer mit y –! Das war ein Begriff in Rheinbach geworden.
    Friedrich Moll, Regierungsrat und Zuchthausdirektor von Rheinbach, sah auf Kurt Meyer herunter, der einen Kopf kleiner war als er. Meyer stand in seinem blauen Anzug, in dem er vor vier Jahren eingeliefert worden war, in der Tür des Amtszimmers. Der Schlipsknoten war korrekt gebunden. Die Haare hatte er sich beim Zuchthausfriseur noch einmal schneiden lassen. Hinten kurz, Militärschnitt. Sein etwas gelbes Gesicht war glatt rasiert, fast faltenlos. Er sah geradezu treuherzig auf Friedrich Moll, der ihn heranwinkte.
    »Sie werden heute entlassen, Meyer«, sagte Direktor Moll und blätterte in einem Schriftstück.
    »Herr Meyer, bitte«, sagte Kurt Meyer an der Tür. Er lächelte dazu verzeihend. »Mit der Abbüßung meiner Strafe bin ich wieder Herr Meyer. Ich habe ja auch meine bürgerlichen Ehrenrechte wieder.«
    »Sie haben Ihre Strafe voll abgebüßt. Vier Jahre wegen schwerer Urkundenfälschung.« Friedrich Moll sah von den Papieren empor. Die Augen Meyers waren gleichgültig, fast gelangweilt. »Sie wissen – hm – Herr Meyer – daß auf Ihnen auch ein Mordverdacht liegt.«
    »Man hat mir nichts beweisen können.«
    »Das bedeutet nicht, daß –«
    »Bitte!« Kurt Meyer hob die Hand. »Ich habe damals vor der Kriminalpolizei, vor der Staatsanwaltschaft und auch vor dem Gericht diese Behauptung, ich hätte den Gemüsegroßhändler, dessen Schecks ich fälschte, ermordet, um den Kronzeugen auszuschalten, als eine tiefe Beleidigung aufgefaßt und Protest erhoben! Ich möchte nicht, daß ich zum Abschied von Ihnen, den ich sehr schätzen lernte, gegen Sie eine Verleumdungsklage einreichen muß.«
    Friedrich Moll biß sich auf die Lippen. Er klappte den Aktendeckel zu und kam um seinen Schreibtisch herum.
    »Meyer«, sagte er laut.
    »Herr Meyer, bitte«, unterbrach ihn die sanfte Stimme Kurt Meyers.
    »Ich habe die Pflicht, Ihnen, als einen Mann, der vier Jahre hier gelebt hat und nun wieder ins Leben tritt, einige Worte mit auf den Weg zu geben. Das ist Vorschrift. Sie, der Sie die Vorschriften so gut kennen – Sie haben in diesen vier Jahren ja allerlei mit uns durchexerziert –«
    »Ich war im Recht, Herr Direktor. Als Staatsbürger bestehe ich auf meinem Recht –«
    »Also – gerade Sie werden deshalb verstehen, wenn ich diese Entlassungsworte zum Anlaß nehme, Ihnen einiges zu sagen, was Ihnen nützlich sein kann.«
    »Bitte, Herr Direktor.« Die Stimme klang unterwürfig. Fast widerlich demütig, empfand Moll. So demütig, daß es schon Frechheit war.
    »Es wird nicht leicht für Sie sein, sich draußen wieder zurechtzufinden.«
    »Das lassen Sie, bitte, meine Sorge sein.«
    »Haben Sie Aussicht, bald eine Stellung zu bekommen?«
    »Wie soll ich das jetzt wissen?«
    »Haben Sie Verbindungen?«
    »Vielleicht –«
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Mit Empfehlungen?«
    »Nein. Danke.«
    »Ich könnte Ihnen eine Stelle als Buchhalter vermitteln. Monatsgehalt in den ersten drei Probemonaten dreihundertfünfzig Mark. Nicht viel, aber bedenken Sie, daß
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