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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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hoffte nur noch, dass es schnell gehen würde, damit die Qual endlich ein Ende hatte. Doch dann riss er den Kopf hoch. Das Meer schien auf einmal ruhiger zu werden. Sie waren immer noch ein Spielball der See, wurden hin und hergeschleudert, aber die Wucht der schwarzen Wellenberge ließ etwas nach, der Wind legte sich. »Wir sind im Lee der Eisinsel«, rief Howell ihnen zu. Das Haar hing ihm nass und wirr in die Stirn, die Uniform, die er unter dem Ölzeug trug, hatte sich mit Wasser voll gesogen, eine dünne, halb vom Meerwasser verwischte Blutspur lief ihm von der Stirn übers Gesicht. »Alle herhören! Unsere Boote laufen voll, sie werden sich nicht mehr lange über Wasser halten können. Wir müssen sofort die Eisinsel ansteuern und versuchen, beim Verlassen der Boote so viel Proviant wie möglich mitzunehmen. Haben das alle verstanden?« Kaum einer sah auf, die meisten waren so apathisch, dass ihnen alles egal schien. Der Bootsscheinwerfer erfasste die Eisinsel. »Dort drüben ist ein Eissims, dort setzen wir die Boote auf. Lewis – hier neben mir – wird jetzt Proviant an Sie verteilen und Ihnen, sobald wir da sind, beim Ausbooten helfen, immer zwei auf einmal. Sollte jemand ins Wasser fallen, muss er um Gottes willen zusehen, so schnell wie möglich wieder rauszukommen. Bei den Temperaturen ist man nach fünf Minuten tot. Also – los geht’s, halten Sie sich bereit.« McFarlane zog Rachel schützend an sich, dann drehte er sich zu Lloyd um. Diesmal sah Lloyd ihn an, der hohle Blick seiner eingefallenen Augen verriet, wie sehr er litt. »Was habe ich getan?«, flüsterte er heiser. »O mein Gott, was habe ich nur getan?«
     
    Drake-Straße
    27. Juli, 11.00 Uhr
    Der Morgen dämmerte über der Eisinsel heran. McFarlane, der während der Nacht immer wieder in barmherzigen Schlummer gesunken war, kam langsam zu sich. Als er sich aufrichtete, splitterten Eisstückchen von seiner Jacke ab. Er sahsich um, die meisten Überlebenden hatten sich dicht aneinander gedrängt, um sich zu wärmen. Einige schliefen auf dem Rücken, ihre Gesichter waren mit Eis überzogen, ihre weit aufgerissenen Augen starrten blind ins Leere. Andere hockten mit angezogenen Knien da, halb aufrecht und völlig reglos. Sie müssen tot sein, dachte McFarlane schläfrig. Etwa hundert waren sie in den drei Rettungsbooten gewesen, aber jetzt konnten es kaum mehr als zwei Dutzend Personen sein. Rachel lag mit geschlossenen Augen vor ihm. Es kostete ihn unsägliche Mühe, sich auf die Knie zu hieven. Er lauschte der gespenstischen Stille nach, die sie umgab. Nur von Zeit zu Zeit war unter ihnen ein lauter Knall zu vernehmen, wie von einem Gewehrschuss – dann hatte die Brandung wieder ein Stück vom Rand der Eisinsel abgenagt. Doch der Wind war verstummt. Vor ihm erstreckte sich eine türkisfarbene Tafellandschaft aus Eis, an den vom Meer umschlossenen Rändern von Furchen und Schluchten durchzogen. Die rote Linie, die sich im Osten wie ein Streifen Blut am fernen Horizont entlangzog, goss ihr Licht über die wogende See aus. Dort, unerreichbar weit weg, war das Meer mit blauen und grünen Eisbergen gesprenkelt, zu Hunderten glitzerten sie wie Juwelen im zaghaften Licht des neuen Morgens: eine Landschaft aus Wasser und Eis, deren märchenhafte Schönheit bis ans Ende der Welt zu reichen schien. McFarlane fühlte sich entsetzlich zerschlagen. Seltsam nur, dass er die Kälte nicht mehr spürte. Er gab sich alle Mühe, hellwach zu werden. Allmählich kehrten die Erinnerungen zurück – die Landung, die nächtliche Klettertour durch eine Eisschlucht auf die Insel, die ungeschickten Versuche, ein Feuer zu entfachen, und das langsame Abgleiten in Lethargie. Natürlich, es hatte auch eine Zeit davor gegeben, aber an die wollte er jetzt lieber nicht denken. Die Welt – seine Welt – hatte auf einmal Grenzen bekommen, sie endete dort, wo das Eis aufhörte und das Meer begann. Hier, hoch oben auf der Eisinsel, gab es die beständigen Bewegungen nicht mehr, nichts rollte und schlingerte, er hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Nach dem Schwarz der Nacht und dem Grau des Sturms waren die Pastellfarben eine Wohltat für das Auge: das blaue Eis, das pinkfarbene Meer, der pfirsichrote Himmel. Wohin er auch blickte, überall umgab ihn bizarre, von überirdisch hellem Licht durchdrungene Schönheit. Er versuchte aufzustehen, aber seine Beine verweigerten ihm den Dienst. Er schaffte es nur, sich ein Stück auf die Knie zu stemmen. Danach war er
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