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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
Autoren: Serhij Zhadan
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einen Tisch, – laß uns warten.
    Der Art-Direktor hieß Slawik. Slawik entpuppte sich als alter Junkie, er sah aus wie über vierzig, aber das lag wohl anden Drogen, er kam eine halbe Stunde zu spät, schob es auf die Staus, dann sagte er, er wäre mit der U-Bahn unterwegs, mit einem Wort, Nebelkerzen. Er hatte eine alte Jeansjacke an, trug eine große arschige Sonnenbrille und weigerte sich aus Prinzip, sie abzusetzen in dem dunklen Loch. – Wo hast du den denn aufgegabelt? – fragte Sanytsch leise, als Slawik den Raum inspizierte. – Meine Mutter hat ihn mir empfohlen, – antwortete Goga genauso leise. – Er war künstlerischer Leiter im Pionierpalast, dann hat man ihn rausgeschmissen, wegen unmoralischem Benehmen oder so. – Klar, wegen übermäßiger Frömmigkeit bestimmt nicht, – sagte Sanytsch. – Schon gut, – antwortete Goga, – alles okay. Was ist, – rief er Slawik zu, – gefällt’s dir? – Im Prinzip schon, – antwortete Slawik geschäftig, kam zu ihnen und setzte sich auf einen Plastikstuhl. Hätte ja auch gerade noch gefehlt, daß diesem Arschloch hier was nicht paßt, dachte Sanytsch und schaltete sogar das Handy ab, um nicht gestört zu werden, wobei ihn ja sowieso nie einer anrief. Also was ist, – Goga war ganz aufgekratzt, – was sagst du, was hast du für Ideen? – Also folgendes, – Slawik seufzte schwer und zog eine schmierige Papirossa hervor, – also folgendes. – Er schwieg eine Zeitlang. – Georgi Dawydowytsch, – wandte er sich schließlich an Goga, – ich will offen mit Ihnen sein. Arschloch, dachte Sanytsch. Goga kniff im Halbdunkel der Butterbrot-Bar zufrieden die Augen zusammen. – Ich will also offen sein, – wiederholte Slawik. – Ich bin seit zwanzig Jahren im Showbiz, ich habe noch mit UkrKonzert gearbeitet, die Musiker kennen mich, ich habe Verbindungen zu Grebenschtschikow 1 , ich habe das Charkiwer U2-Konzert organisiert... – U2 hat ein Konzert in Charkiw gegeben? – fiel ihm San Sanytsch ins Wort. – Nein, sie haben abgesagt, – erwiderte Slawik, – aber ich will Ihnen folgendes sagen, Georgi Dawydowytsch, – Sanytsch ignorierte er einfach, – es war eine geile Idee von Ihnen, diesen Klub zu kaufen. – Meinst du? – fragte Goga zweifelnd. – Ja, wirklich eine geile Idee. Ich rede ganz offen mit Ihnen, ich weiß alles vom Showbiz, habe die erste Rock-Session dieser Stadt organisiert, – hier erinnerte er sich offensichtlich an etwas, verlor den Faden und verstummte minutenlang. – Und, weiter? – Goga hielt es nicht mehr aus. – Ja, – nickte Slawik, – ja. Scheiße, der ist ja bekifft, stellte Sanytsch begeistert fest. – Was ja? – Goga verstand nicht. Slawik nickte wieder, – ja ... San Sanytsch streckte ergeben die Hand nach dem Handy aus, im Prinzip hätte er solche Typen in seinem früheren Job fertiggemacht, aber das hier war was anderes, ein anderes Business, sollen die das doch unter sich ausmachen. – Ich will Ihnen, Georgi Dawydowytsch, folgendes sagen, – brach es plötzlich aus Slawik heraus, und er schwallte los –
    das Klubgeschäft, – holte er weit aus, – ist eine heiße Angelegenheit, besonders weil sich der Markt schon herausgebildet hat, verstehen Sie, was ich meine? Alle taten so, als verstünden sie. Daran ist der Mittelstand schuld, dieser Mittelstand, verfuckt, entwickelt sich ja besonders gut. Sie, zum Beispiel, haben Räumlichkeiten gekauft, – er wandte sich weiterhin vor allem an Goga, – wollen einen normalen Klub aufmachen, mit normalem Publikum, Kulturprogramm und all dem Scheiß, – Slawik, kein Agitprop, bitte, – fiel ihm Goga ins Wort. – In Ordnung, – willigte Slawik ein, – was aber ist das wichtigste? Was ist das Wichtigste im Showbiz? – Gogaverging das Lächeln allmählich. – Das Wichtigste ist das Format! Ja-ja, – Slawik nickte fröhlich und klatschte sogar in die Hände, – yep, genau das ist es ... – Und was ist mit dem Format? – fragte Goga nach einer schweren Pause. – Totale Scheiße, – teilte Slawik mit. In diesem Business ist schon alles besetzt, alle Plätze, – er lachte auf. Der Markt hat sich herausgebildet, verstehen Sie? Machen Sie ein Fast food auf, wenn Sie wollen, aber es gibt schon hundert Fast foods in der Stadt, wollen Sie eine Kneipe – dann eben Kneipe, ich kümmere mich um das Kulturprogramm, no problem, wollen Sie eine Disko – dann Disko, wollen Sie einen Pub – dann eben Pub. Aber es wird ein Scheißdreck daraus, Georgi Dawydowytsch,
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