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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
Autoren: Serhij Zhadan
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sein eigenes Business aufzuziehen, aber es klappte nicht richtig, vor allem mit gebrochenem Arm. Also ging er zu den »Boxern für Gerechtigkeit«. Die »Boxer für Gerechtigkeit« sahen sich seinenArm an, fragten ihn, ob er für Gerechtigkeit sei und für soziale Adaptation, und als sie darauf eine positive Antwort erhielten, nahmen sie ihn auf. Sanytsch kam zu einer Brigade, die die Märkte beim Traktorenwerk kontrollierte. Wie sich herausstellte, konnte man in diesem Business ziemlich leicht Karriere machen – dein direkter Vorgesetzter wird ermordet, und schon rückst du auf seinen Platz vor. Nach einem Jahr befehligte Sanytsch bereits eine kleine Einheit, war wieder einmal Hoffnungsträger, aber das Business gefiel ihm nicht: Sanytsch hatte ja immerhin Abitur und daher keine Böcke, mit nicht mal dreißig durch die Granate eines Spekulanten hopszugehen. Noch dazu ging seine ganze Freizeit für das Business drauf, und Sanytsch hatte überhaupt kein Privatleben, wenn man die Nutten nicht zählt, die er eigenhändig auf den Märkten auflas. Aber Sanytsch zählte die Nutten nicht, ich glaube, auch sie nannten es nicht Privat-, sondern eher Wirtschafts- und Sozialleben, das trifft es wohl. Sanytsch begann also, sich ernsthaft Gedanken über seine Zukunft zu machen. Ausschlaggebend war der Zwischenfall mit der kugelsicheren Weste. Einmal, im Zustand eines anhaltenden alkoholbedingten Rausches (er sprach von irgendwelchen Feiertagen, wahrscheinlich Weihnachten), beschlossen Sanytschs Schützlinge, ihrem jungen Boß eine kugelsichere Weste zu schenken. Die Weste hatten sie auf dem Polizeirevier gegen ein neues Kopiergerät der jüngsten Generation getauscht. Das Geschenk wurde auf der Stelle ausgiebig begossen, danach wollten sie es ausprobieren. Sanytsch zog die Weste über, die Kämpfer griffen zur Kalaschnikow. Die kugelsichere Weste erwies sich als zuverlässig – Sanytsch überlebte mit nur drei mittelschweren Schußverletzungen. Er beschloß, es gut sein zu lassen – die Ringkämpferkarrierewar in die Hose gegangen, auch mit seiner Karriere als Kämpfer für Gerechtigkeit und soziale Adaptation stand es nicht zum besten, Zeit, sich beruflich zu verändern.
    Er leckte seine Wunden, ging dann zu den »Boxern für Gerechtigkeit« und bat, aussteigen zu dürfen. Die »Boxer für Gerechtigkeit« waren mit Recht der Meinung, daß man aus ihrem Business nicht einfach so aussteigt, jedenfalls nicht lebendig, doch letztendlich nahmen sie Rücksicht auf seine Verwundungen und willigten ein. Zum Abschied verliehen sie ihrer Hoffnung Ausdruck, Sanytsch möge die Verbindung zur Assoziation nicht abreißen lassen und den Idealen des Kampfes für Gerechtigkeit und soziale Adaptation treu bleiben, und nachdem sie Sanytsch schnelle Genesung gewünscht hatten, beeilten sie sich, ihre Busse mit einheimischen Elektro- und Haushaltsgeräten zu beladen. Sanytsch stand also auf der Straße – ohne Business und Privatleben, dafür kampferprobt und mit Abitur, wobei letzteres aber kaum jemanden interessierte. In diesem Moment der persönlichen Krise traf er Goga, Georgi Bruchadse. Er und Goga waren zusammen in einer Klasse gewesen, Sanytsch ging dann zu den Kämpfern und Goga auf die medizinische Fakultät. Die letzten paar Jahre hatten sie sich nicht gesehen – Sanytsch engagierte sich wie berichtet, und Goga reiste als junge Fachkraft in den Kaukasus und nahm dort am russisch-tschetschenischen Krieg teil. Auf welcher Seite er teilnahm, war schwer zu sagen, denn Goga trat als Subunternehmer auf, kaufte beim russischen Gesundheitsministerium Medikamente und verkaufte sie an georgische Sanatorien, in denen Tschetschenen ärztlich versorgt wurden. Die Sache flog auf, als Goga unbedacht eine zu große Menge Anästhetikabestellte, was das Gesundheitsministerium dazu veranlaßte, die Lieferscheine zu überprüfen und sich die berechtigte Frage zu stellen: Wozu benötigt die regionale Kinderpoliklinik, auf die sämtliche Lieferscheine ausgestellt sind, so viel Stoff? Goga mußte also zurück nach Hause, wobei er sich erst noch einen Schußwechsel mit den beleidigten kaukasischen Zwischenhändlern lieferte. Kaum daheim, kaufte er einige Ladungen Rigips. Das Geschäft lief nicht schlecht, aber Goga begeisterte sich bereits für eine neue Idee, die immer mehr Raum in seinen Phantasien und Plänen einnahm – er beschloß, ins Klubgeschäft einzusteigen. Und genau in diesem kritischen Moment begegneten sich unsere beiden Helden.
    – Hör mal,
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