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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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Das
war geschafft. Jetzt mußte ich Anja nur noch dazu kriegen, daß sie die Leine
löste. Es gibt Augenblicke, in denen ich mich frei bewegen muß, und das
schwerste für einen Hund, der einen neuen Herrn bekommt, ist es, diesen zu
erziehen. Schließlich ist es ein Verhältnis auf Gegenseitigkeit und deshalb
nicht mehr als recht, wenn auch dem Hund ein gewisses Maß an persönlicher
Freiheit gestattet wird. Bloß, bis die Menschen das manchmal begriffen haben,
hat der Hund es längst aufgegeben, darum zu kämpfen. Nicht so ich; Also
überlegte ich kurz und kam zu dem Schluß, daß bei Anja wohl am besten der
Schaufenstertrick funktionieren würde. Ich benahm mich ganz einfach wie eine
Frau, die sich nicht von einem Schaufenster trennen kann. Ich blieb unbeirrt an
meinem einen Baum, schnüffelte mal rechts, mal links, spazierte ringsherum und
wieder anders rum. Und Anja immer hinter mir her, weil sich ja sonst die Leine
verwurstelt hätte. Nach der fünften Baumumkreisung hatte ich mein Frauchen dann
endlich soweit.
    »Du führst mich ganz schön an der
Nase herum, du kleiner Verbrecher«, maulte sie, bückte sich aber trotzdem und
knipste die Leine vom Halsband.
    »Daß du mir aber nicht auf die
Straße rennst«, drohte sie, und dann machten wir einen schönen
Morgenspaziergang rund ums Karree. Natürlich rannte ich nicht auf die Straße.
Ein echter Stadthund kennt die Gefahren, die auf ihn lauern. Außerdem wollte
ich mir durch solch vernünftiges Benehmen das Recht erwerben, auch beim
nächsten Ausgang frei laufen zu können. Das war sehr wichtig, denn diese erste
Inspektion unserer näheren Umgebung hatte mir gezeigt, daß die städtischen
Baumplaner recht großzügig in dieser Gegend verfahren waren. Spiel- und
Raufkameraden gab es auch genug, sie alle hatten sich an ihren zuständigen
Bäumen bereits verewigt.
    Meine erste Nachbarschaftsbekanntschaft
an diesem Morgen wurde ein kleiner weißer Pudel. Wir begegneten uns am dritten
Baum vor der Ecke. Sein krulliges Fell war noch nicht geschoren, und er roch
nach Hundebaby. Sein junges Frauchen stolzierte in wippendem Röckchen ungeduldig
auf und ab. Wir einigten uns schnell über den Besitz des Baumes. Ich ließ ihm
das Vorzugsrecht, weil er direkt vor dem Haus stand, in dem er wohnte, behielt
mir aber vor, ihn so oft ansteuern zu dürfen, wie es mich danach gelüstete. Mit
seinen noch ungelenken Beinen patschte er drollig nach meinem Kopf. Ich ließ
ihn ruhig gewähren und gönnte ihm von ganzem Hundeherzen, daß er eine
ungestörtere Jugendzeit verleben möge, als es mir vergönnt war. Wenn man sich
die ungeduldige Kleine ansah, konnte man fast annehmen, daß es dieses Wunsches
nicht bedurfte. Aber wer konnte das schon so genau wissen? Schließlich hatte
auch mein Erstbesitzer einen ganz passablen Eindruck auf mich gemacht, und
später endete unser Verhältnis doch unter ziemlich dramatischen Umständen.
    Aber wozu an einem so schönen Tag an
die wunden Punkte einer stürmischen Vergangenheit rühren? Da sah ich mir doch
lieber an, was es um mich herum alles zu besichtigen gab.
     
    Die
meisten Häuser hatten kleine Vorgärten mit niedrigen Hecken drumherum, andere
standen einfach blank in der Straße. Das Haus, auf das Anja und ich nun wieder
zusteuerten, besaß eine gelbe, rauhe Fassade und sah von außen aus, als wäre es
nur ein paar Treppen hoch. Aber es waren dann doch recht viele, weil wir bis
unters Dachjuchhe mußten. Aber soweit waren wir noch längst nicht, denn kaum
hatte Anja die Haustür aufgeschlossen, als sich uns eine dicke Frau in den Weg
stellte.
    »Was ist denn das?« fragte sie
herausfordernd und stemmte beide Hände in die speckigen Hüften.
    »Ein Hund«, sagte Anja freundlich
und wies mit einer angedeuteten Verbeugung auf mich, als wollte sie mich in
aller Form der Dame vorstellen.
    »Das seh’ ich auch«, meckerte die
Frau, »aber wem gehört er?«
    »Mir«, stellte Anja fest, während
ich unauffällig bei der Dicken Witterung auf nahm. Katzen! Mindestens drei
Katzen hatte sie in der Wohnung und regte sich hier über einen einzigen kleinen
Hund auf.
    »Der Köter kommt mir jedenfalls
nicht ins Haus«, zeterte sie. »Das wäre ja noch schöner, vorhin hat er sogar
gebellt.«
    »Das sollen Hunde so an sich haben«,
erwiderte Anja schlagfertig. Sie war ein Prachtfrauchen. Trotzdem, wenn sie
schlau war, sorgte sie jetzt bald dafür, daß wir uns schnellstens verdrückten,
denn dicke Frauen, die parterre wohnen, sind entweder Eigentümerin
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