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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle
Autoren: Jürgen Ebertowski
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den vielen Stichproben überall
in der Stadt nicht mehr optimal.«
    »Schaff sie hierher«, sagte Kassner. »Ich
mauere sie im Kohlenkeller ein. Vielleicht lässt sich später doch wieder
verwertbares Papier auftreiben.« Er sah Richter und Brennecke plötzlich
mürrisch an. »Themenwechsel, meine Herren! Mir schmeckt es überhaupt nicht,
dass Meunier weiterhin munter durch die Gegend spaziert und zu
allem Überfluss jetzt auch noch seine Freundin.«
    Brennecke zuckte mit den Achseln. »Im
Moment lässt sich schwerlich etwas arrangieren, Otto. Aber nur Geduld, auf ewig
werden die Amis ihm bestimmt keine Schlapphüte als Aufpasser stellen.«

 
    17. Kapitel
    Bennos
Geburtstag
     
     
     
    »So alt wird keen Jaul, Karlchen, deshalb
will ick am 8. November meenen Fuffzichsten janz jroß im Oriental feiern«,
hatte Benno im August angekündigt. »Mit Pauken und Trompeten sozusagen. Und
ooch wenn Genosse Stalin, wie heute inner Zeitung stand, nich bloß
Eisenbahnschienen, sondern neuerdings sojar lebendet Viehzeuch aus der Zone nach
Russland abkarren lässt, wird an dem Tag keener bei mir hungern, und
verdurschten erst recht nich. – Die Westalliierten demontieren zwar ooch munter
weiter, aber immerhin jeben se
uns noch’n kleenet bisschen wat zum
Futtern.«
    »Ich weiß von Miller, dass seit neuestem
auch verstärkt Flüchtlinge aus Ost-Berlin eintreffen«, hatte Karl gesagt.
    »Weil se nischt zum
Beißen haben?«
    »Das womöglich auch. Aber was ich so in
Tempelhof beiläufig von dem Major erfahre, ist nicht von Pappe. Einer der
Flüchtlinge war SED-Mitglied. Auf einer geschlossenen Parteitagung in Weißensee
hat ein Oberst von der SMAD die Delegierten offen dazu aufgefordert – ich zitiere
mal –, ›Westdeutschland und Berlin vom amerikanischen Monopolkapitalismus zu
befreien‹.«
    »Immer mitter Ruhe, Karlchen, bis zu
meenem Ehrentag werden se det bestimmt nich jeschafft haben. Det wird dauern. – Allein
wenn ick dran denke, wie lange se für det Sowjet-Ehrenmal in Treptow zum
Bauen jebroocht haben, bisset endlich einweihen konnten, seh ick da ziemlich
schwarz.«
    Bereits Ende September ergingen
Einladungen an Freunde, Bekannte, Jiu-Jitsu-Kameraden und Stammgäste. In Berlin
hatten die regelmäßigen Stromabschaltungen wieder eingesetzt. Von Benno war
zeitig Vorsorge getroffen worden. Elektro-Klaus hatte ihm über seine
Schwarzmarktkanäle einen Notstromgenerator beschafft, der unten im Übungskeller
installiert wurde. Darüber, woher das Aggregat stammte, verlor er allerdings
kein Wort. Er hatte seine Arbeit auf dem Flughafen Tempelhof aufgegeben und
redete auch nicht viel darüber, wie er jetzt sein Geld verdiente, deutete aber
gelegentlich an, dass er weiterhin mit seiner Freundin in Sachen Schmuck und
Gold tätig war. Die Beschäftigung musste recht einträglich sein, denn er und
Goldelse konnten sich einen Ford leisten, keine verbeulte Kiste wie Bennos,
sondern ein gut erhaltenes offenes Vorkriegsmodell mit weißem Stofffaltdach.
    Karl und Vera schauten häufiger bei Edith
Jeschke am Klausener Platz vorbei. Ediths Hausmitbewohnerin Renate Hansen erhielt
kaum noch Besuch von den Frauen aus der Umgebung. Auch der mensurnarbige
Unbekannte ließ sich seit Wochen nicht mehr bei ihr blicken. Benno und Karl
trafen regelmäßig den kleinen Hansi, der auf fast allen Berliner Schwarzmärkten
seine diversen Geschäfte abwickelte und weiterhin für das Oriental die eine oder andere Sache beschaffte. Dass in der letzten Zeit
versucht worden war, auf den Märkten Falschgeld abzusetzen, hatte er nicht
beobachten können. Bill Gleasons Geldspezialisten vermeldeten ebenfalls kein
spektakuläres Auftauchen von Falsifikaten in den Geldinstituten. Renate Hansens
Kontobewegungen wurden selbstverständlich genauestens beobachtet und ihre
Einzahlungen umgehend zur Untersuchung an den Föhrenweg weitergeleitet. Unter
den geprüften Geldscheinen hatte sich keine einzige Blüte befunden.
    Gleason und Miller waren fast schon
entschlossen, die Ermittlungen einzustellen, als die deutsche Polizei bei einer
Razzia in einer Zehlendorfer Grünanlage ein Bündel gefälschter Fünfzigmarkscheine
sicherstellte. Beim Eintreffen der Beamten hatte jemand das Geld ins Gebüsch
geworfen. In dem Zehlendorfer Park wurden bekanntlich vorzugsweise hochwertige
Schwarzmarktgüter wie Porzellan, teure Kleiderstoffe, Antiquitäten und
Edelmetalle umgesetzt. Hansi versprach, sich bei seinen nächsten Marktbesuchen
dort umzuhören. Auch Benno hielt im
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