Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle
Autoren: Jürgen Ebertowski
Vom Netzwerk:
sich bei Kassner im Westender Haus von
Brenneckes Tante. Kassner, der dort unter dem Namen Böhme gemeldet war, wartete
mit Richter bereits ungeduldig auf Brennecke.
    »Seltsam, Hotte ist doch sonst immer
pünktlich«, fauchte Richter. »Sagte er nicht, um Punkt eins ist er hier?«
    Kassner schaute auf seine Armbanduhr und
trat erneut ans Fenster. »Ich glaube, da kommt er.«
    Ein schwarzer Mercedes hielt vor dem
Haus.
    Kassner öffnete Brennecke die
Wohnungstür. »War was? Wir warten schon eine geschlagene Stunde auf dich.«
    »Und ob was war!« Brennecke nickte
Richter kurz zur Begrüßung zu und ließ sich sichtlich erschöpft in einen Sessel
fallen. »Ich hab saumäßig Schwein gehabt! In Tempelhof war gehörig die Kacke am
Dampfen. – Die Militärpolizei hat ganz offenbar nach Falschgeld gesucht.«
    Kassner zog die Stirn in Falten. »Wie?
Eine Razzia auf dem Flughafengelände?«
    »Keine richtige Razzia, wohl mehr eine
Stichprobe, glaube ich. Verdammt brenzlig war’s trotzdem. – Heute ist doch
Zahltag für die Arbeiter. Ich wollte gerade mit dem Geld zur Verwaltungsbaracke
gehen, um unseren Arbeitern die Löhne auszuzahlen, als mir zwei Elektriker von
Krümmel & Co. entgegenkamen und sich lautstark darüber aufregten, dass sie
ihre Kohle erst morgen kriegen würden. Die Amis hatten nämlich kurz vorher sämtliche
Lohntüten von Krümmel & Co. ohne Angabe von Gründen beschlagnahmt. Da haben
bei mir zum Glück gleich alle Alarmglocken geschrillt. Ich bin also auf der Stelle
umgekehrt, zur Uhlandstraße gerast und habe die Blüten ausgetauscht.«
    »Und weiter?«
    »Na, dann bin ich sofort nach Tempelhof
zurück, aber die Lohntüten für meine Bautrupps haben sie nicht einbehalten. Wie
schon gesagt, es war vermutlich bloß eine Stichprobe.«
    Otto Kassner betastete nachdenklich seine
entstellte Gesichtshälfte. »Das will mir ganz und gar nicht gefallen, Hotte.«
    »Nein«, sagte Richter. »Mir auch nicht.
Wir müssen jedenfalls ab sofort damit aufhören, den Arbeitern Blüten
unterzujubeln.«
    »Der Meinung bin ich auch«, pflichtete
ihm Brennecke bei. »Aber was ist mit Wolfgangs Druckerei und deinem Betrieb,
Otto?«
    »Unsere Unternehmen schreiben
glücklicherweise ausnahmslos schwarze Zahlen, Tendenz steigend. Wir dürfen
wirklich nicht riskieren, dass sie durch einen blöden Zufall ins Visier der
Falschgeldfahnder geraten. Wolfgangs Druckerei hat mehrere Großaufträge vom
Magistrat. Sie ist für die kommenden Wochen voll ausgelastet. Und bis meine
Schweißer alle Eisenträger aus den Ruinen geschnitten haben, werden noch einige
Jahrzehnte vergehen.«
    »Ich habe übrigens gestern Nacht das
letzte Papier von Wassilinski verbraucht«, sagte Richter. »Im Lager sind somit
noch annähernd fünfzehn Millionen.«
    Kassner überlegte einen Moment, dann
sagte er: »Wir müssen umdenken und das Geld sicherer an den Mann bringen.« Er
wandte sich an Richter. »Was ist mit dem Verteilernetz von Renate?«
    »Bislang funktioniert es ziemlich gut.«
    »Sagtest du nicht, die Polente hätte sie
bereits zweimal wegen der Blüten befragt?«, gab Brennecke zu bedenken.
    Richter nickte. »Stimmt, aber ohne
irgendwelche Folgen. Schließlich sind selbst die Schalterbeamten bei der
Einzahlung nicht stutzig geworden. Und bei den anderen verhörten Verteilern gab
es wegen der Qualität der Blüten auch keinerlei Nachspiel.« Er grinste
selbstgefällig. »Gelernt ist eben gelernt.«
    Otto Kassner räusperte sich.
»Vorsichtshalber stoppen wir aber die Verteilung für ein paar Wochen. Einen
Teil des Geldes sollte Renate danach schon noch versuchen abzusetzen.«
    Brennecke nickte. »Unbedingt. Teasdale hat im Oriental wiederholt davon geredet: Gibt es irgendwann eine Währungsreform – und
egal wie die aussieht –, wird mit Sicherheit pro Kopf bloß eine kleinere
Bargeldsumme zum Umtausch erlaubt sein, ansonsten nur die Guthaben von
Bankkonten.«
    »Und was machen wir mit dem Rest?«, fragte Richter.
»Im Lager verrotten lassen?«
    »Das nun garantiert nicht. Am
vernünftigsten wäre es, über Strohmänner auf dem Schwarzmarkt so viel Gold wie
möglich aufzukaufen. Gold hat bislang jede Währungsreform überlebt. Oder fällt
euch etwas Besseres ein?«
    »Wer, bitte schön, organisiert das
alles?«, warf Brennecke ein. »Ich komme da ja wohl kaum infrage.«
    Richter seufzte. »Und Otto natürlich auch
nicht! Also gut, ich kümmere mich drum. – Was soll mit den Platten geschehen?
Das Versteck in der Druckerei erscheint mir bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher