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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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erneut bewiesen werden.
    Die Welt, in der wir leben, sieht anders aus, und auch das wissen Sie.
    Mit uns leben in diesem Land zirka fünf Millionen Hunde. Registrierte Hunde, für die ihre Besitzer zahlen müssen, nur weil sie existieren. Die Dunkelziffer der Hunde ohne Dokumente, der Ausgestoßenen, Heimatlosen, der Parias und Stadtstreicher, ist wohl ebenso hoch anzusetzen. Und ich vereinfache nicht wesentlich, wenn ich sage, da leben zehn Millionen von der Mehrheit Unerwünschte mit und unter uns. (Damit keine Irrtümer entstehen: Ich spreche hier ausschließlich von Hunden!)
    Parallelen zum Automobil sind unübersehbar: Auch für den Kauf von Autos wird teuer geworben, werden lockende und verlockende Angebote gemacht, spendable Konditionen für die Finanzierung angeboten, die laufenden Kosten heruntergespielt, der Prestigewert hochgespielt und die große Freiheit an einen Horizont gemalt, den die Autos mit ihren Abgasen selbst verdunkelt haben. Besitzt einer aber erst das angepriesene Objekt, fallen der Staat und seine Behörden über ihn her und plündern ihn aus wie die Strauchdiebe. Er wird verteufelt – auch von den anderen Hereingefallenen –, bis zur Unerträglichkeit reglementiert, als potentieller Mörder angesehen, und mit dem Prestige ist es auch schnell vorbei. Ein Zweihunderttausendmarkauto im Stau ist ein Objekt der Lächerlichkeit, und die Freiheit, die «freie Fahrt für freie Bürger», gibt es nur in der Werbung, die hinterhältig immer wieder um neue Trottel bemüht ist, die in die Falle gehen.
    Soweit sind also Parallelen erkennbar. Nur: Am Auto hängt – weltweit – eine Industrie, die so gewaltig ist, daß wir alle an den Bettelstab kämen, wenn es auch nur ernsthafte Einbrüche in der Produktion gäbe. Also müssen Autos wohl vorläufig sein.
    Und Hunde? Hunde müssen nicht sein. Machen wir uns nichts vor: Wirtschaftlich gesehen gibt es für unsere Hunde heutzutage weder eine ökologische noch eine ökonomische Nische. Eine Welt ohne Hunde wäre eine kalte, eine öde, eine stereotype Welt, eine Welt, in der ich nicht leben möchte und vermutlich viele von Ihnen auch nicht. Aber diese Welt ist denkbar, registrierbare Katastrophen blieben aus, Beispiele sind zitierbar. Denken Sie an China: Die riesige arme Bevölkerung hat Hunde von jeher nur als Fleischlieferanten gesehen, und nur die führende Kaste durfte sie besitzen. Als Spielzeug. Heute ist dieses Land, das eher ein Kontinent ist, nahezu hundelos.
    Und wie sieht es bei uns aus? In einem Land, dessen Hundehalter von einer wachsenden Anzahl von Hundehassern für ihre Affinität zum Hund immer gehässiger beschimpft werden? «Die Deutschen lieben ihre Hunde mehr als ihre Kinder», tönt es, und dann folgt unweigerlich der närrische Vergleich der von den Behörden vorgeschriebenen Raumgrößen für Kinderzimmer und Hundezwinger.
    Meine Damen und Herren, es hat keinen Sinn, darüber hinwegzusehen oder daran vorbeizureden: Wer heute in Deutschland einen Hund hat und nicht zu den wenigen Privilegierten mit einem eigenen Besitz gehört, der als «Länderei» bezeichnet werden kann, der steht mit dem Rücken an der Wand. Es ist nahezu unmöglich geworden, einen Hund artgerecht zu halten, ohne gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen zu verstoßen.
    Der Hund, jeder Hund, ist ein Läufer. Die freie Bewegung in natürlicher Umgebung – was auch immer das heute noch heißen mag – ist für ihn kein Privileg, keine Sonderzuteilung, sondern absolut lebensnotwendig. Ein Hund, lebenslang an der Leine gehalten, ist wie ein Sträfling in Ketten: Er verkümmert physisch und psychisch, er fällt entweder in Lethargie oder er wird böse, er verroht und wendet sich schließlich gegen die wirklichen und vermeintlichen Verursacher seiner Qual. Einen Hund für immer an der Leine zu halten erfüllt den Tatbestand der Tierquälerei.
    Und wo, bitte, darf er seinem unbezwinglichen Laufbedürfnis nachkommen? Die Antwort ist so kurz wie eindeutig: nirgendwo! In der Stadt verbieten sich freilaufende Hunde inzwischen von selbst. Im Getümmel von Autos und Menschen, in einer betäubenden Wolke von nicht mehr zu identifizierenden Gerüchen und anderen Sinneseindrücken ist jeder Hund froh, wenn er in der Nähe seiner Bezugsperson bleiben kann. Er würde sie unter den im Stadtgebiet herrschenden Umständen trotz oder richtiger: infolge seiner überfeinen Sinne nicht mehr wiederfinden, wenn er den Kontakt verlöre, würde bei der verzweifelten, hektischen Suche nach
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