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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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leben zu lassen.
    An dieser Grundforderung hängt viel, aber nichts Unerreichbares.
    Doch um dieser einfachen, existentiellen Forderung nachzukommen, müßte sich eine Menge ändern: beim Gesetzgeber, in der Hundezucht, bei den Verbänden und, last but not least, bei den Hundekäufern und -haltern.
    Jeder wirkliche Hundefreund muß sich aufgerufen fühlen, an diesen notwendigen Veränderungen mitzuarbeiten und seine eigenen, oft querlaufenden Interessen hintanzustellen.
    In einem Punkt sollte es doch allen, die mit dem Hund leben, ohne auf ihn gekommen zu sein, möglich sein, sich zu solidarisieren: in dem Wunsch, sich bei unseren heutigen Hunden für alles zu bedanken, was deren Vorfahren in vielen Jahrtausenden für den Menschen getan und bewirkt haben, ohne das eigene Leben zu schonen.
    Um zu begreifen, was da vor sich ging, was der Mensch mit dem Hund und aus dem Hund gemacht hat, muß man rekapitulieren, einen weiten Weg zurückgehen in die Anfänge der Menschheit, als wir uns von den Primaten trennten, um das, was uns mit den großen Menschenaffen verband, das Großhirn, in den unaufhaltsam «menschelnden» Schädeln hypertrophieren zu lassen.
    Das Ergebnis liegt vor: Unser geschundener Planet am Ende des zweiten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung ist die Folge dieser Großhirnelefantiasis.
    Dieser wuchernden grauen Masse verdanken wir die Möglichkeiten moderner Technik und die Folter, moderne Heilmethoden und die bewußte Zerstörung unserer lebensnotwendigen Ressourcen. Ihr verdanken wir Forschung und «Leere», die Möglichkeiten zu einem Leben im Überfluß und die Fähigkeit, alles Leben auf der Erde mit einem Schlag zu vernichten. Ihr verdanken wir Einsicht in das Notwendige und die Unfähigkeit zum Überleben der eigenen Art. Alles zusammen, diese ganze ungeheuerliche, mit nichts vergleichbare Schizophrenie hat uns dieses Wachstum eines Teils unserer Gehirnmasse beschert.
    Keine schöne Bescherung, wenn man bedenkt, daß wir genetisch zu 98,8 Prozent – oder waren es Komma neun – mit den Schimpansen identisch sind.
    Gott und den Teufel konnten die Menschen mit Hilfe dieser 1,2 Prozent Entwicklungshilfe ersinnen.
    Und den Hund.
    Verhaltensforscher, Kynologen und Historiker haben sich die Anfänge etwa so vorgestellt:
    Fünfzehn- bis zwanzigtausend Jahre zurück. Ein Wimpernschlag in der Weltgeschichte, aber immerhin der zirka hundertste Teil der Geschichte des Homo sapiens.
    Noch sind Menschen Beutejäger und für den Kampf ums Überleben mager ausgerüstet: schwächliches Gebiß, mäßig schnell, für ihre Größe zu schwach.
    Aber das Großhirn wuchert. Es befähigt sie zum Umgang mit Werkzeugen, mit dem Feuer, zur Herstellung von Gegenständen, die ihnen Zähne und Krallen ersetzen und ihre Chancen im Kampf mit anderen Beutejägern verbessern.
    Einer der Konkurrenten bei dem immer kopflastigeren Kampf ums Überleben ist der Wolf. Ein gefährlicher Gegner: schnell, stark und in seinem sozialen Verhalten den Menschen bis heute überlegen.
    Weil Wölfinnen manchmal ihren Wurf allein aufziehen, gelingt es in seltenen Fällen, die Welpen zu rauben: schöne dicke Wolfswelpen, eine Delikatesse.
    Lebend werden die Fellknäuel zur Wohnhöhle befördert und vorerst den Kindern zum Spielen gegeben.
    Die wollen ihr Spielzeug nicht mehr hergeben, die Weiber haben Hormonstöße, vom Kindchenschema ausgelöst: großes Gezeter, die Männer verzichten murrend – vorerst – auf den Braten.
    Und dann kommt die Nacht, in der die Jungwölfe eine feindliche Menschenhorde melden, die sich anschleicht, um ihre Artgenossen zu töten und zu fressen (das war üblich und normal, dagegen gibt es auch heute nichts einzuwenden, denn zu der Zeit waren wir noch im Stand der Unschuld, die wir so gründlich und unwiederbringlich verloren haben).
    Der Überfall wurde durch die überlegenen Sinnesorgane der Wölfe vereitelt, der Urvater des Haushundes stand am Beginn seiner traurigen Karriere.
    Zunächst jedoch entstand eine Symbiose.
    Die«Wachwölfe» versorgten sich selbst und halfen unseren Vorfahren bei der Jagd.
    Dafür integrierten sie sich in einer schier unvorstellbaren Weise in die menschliche Gesellschaft, um sich nie wieder aus ihr zu lösen.
    Als aus den Jägern Hirten und aus Hirten Bauern geworden waren, konnten die Nachfahren jener Wölfe bereits einen Teil ihres Triebpotentials umfunktionieren: sie rissen keine Schafe und Kühe mehr, sie bewachten und verteidigten sie. Wenn nötig, gegen die eigenen
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