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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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nicht jede Nacht sein Licht, und seyd ihr so niederträchtig, zu murren, wo wir demüthigen Dank für so große Wohlthaten erwarten? Wenn sie aber finden, daß wir nicht allein in der unbedingten Verachtung ihrer Vernunftgründe beharren und an ihre Philosophie nicht glauben wollen, ja selbst so weit gehen, daß wir es wagen, unser Eigenthum zu vertheidigen, so wird ihre Geduld das Maaß überstiegen haben, und sie werden zu stärkeren Argumenten ihre Zuflucht nehmen, uns mit Hippogryphen hetzen, uns verdichtete Sonnenstrahlen durch den Leib jagen, unsere Städte mit Mondsteinen in Grund und Boden schießen, und endlich, wenn wir uns, der Uebermacht uns beugend, zum wahren Glauben bekennen, werden sie uns gnädigst erlauben, in den brennenden Wüsten Arabiens oder in den Eisregionen Lapplands zu wohnen und uns dort der Segnungen der Civilisation und der Mondsphilosophie zu erfreuen, gerade so, wie den veredelten und erleuchteten Wilden unseres Landes gütig verstattet ist, die unwirthlichen Wälder des Nordens und die undurchdringlichen Dickichte des Südens von Amerika zu bewohnen.
    So ist, wie ich hoffe, das Recht der Besitznahme Amerika’s durch die ersten Ansiedler klar bewiesen und gerechtfertigt; und nachdem ich nun ritterlich alle Hindernisse besiegt und alle Einwürfe entkräftet habe, kann ich meine Leser sogleich in die lang belagerte Stadt einführen. – Doch Halt! ehe ich einen Schritt weiter thue, muß ich erst stillstehen und Athem schöpfen, mich zu verschnaufen von der furchtbaren Anstrengung, diese zuverlässige Geschichte vorbereitet zu haben. Ich folge hierin dem Beispiel eines berühmten holländischen Tummlers des Alterthums, der einen Anlauf von dreiviertel Stunden nahm, um über einen Hügel zu springen. Weil er, als er den Fuß der Anhöhe erreichte, außer Athem war, so setzte er sich ein Paar Augenblicke hin, um sich zu verschnaufen und führte dann mit aller Bequemlichkeit seinen Coup aus.

Zweites Buch.
    Worin die erste Ansiedlung in der Provinz der Neuen-Niederlande abgehandelt wird.
Erstes Kapitel.
    Welches von verschiednen Gründen handelt, warum ein Mann nicht mit Uebereilung schreiben soll; dann von Herrn Hendrik Hudson und seiner Entdeckung eines seltsamen Landes, endlich von seiner glänzenden Belohnung durch die Freigebigkeit Ihrer Hochmögenden.
    Als mein Urgroßvater mütterlicher Seits, Hermanns Van Clattercop, den Auftrag erhielt, die große steinerne Kirche in Rotterdam zu bauen, welche ungefähr dreihundert Yards zu eurer Linken liegt, wenn ihr von den Bompjes kommt, und die so bequem gebaut ist, daß alle eifrige Christen von Rotterdam lieber hier als in einer andern Kirche der Stadt die Predigt verschlafen – als mein Urgroßvater, sage ich, den Auftrag bekam, diese berühmte Kirche zu bauen, so ließ er zuerst von Delft eine Kiste langer irdener Pfeifen kommen, dann kaufte er sich ein neues Spukkästchen und hundert Pfund vom besten virginischen Tabak, setzte sich nieder und that drei Monate lang nichts als eifrig rauchen. Dann brachte er wieder drei Monate zu, zu Fuß und in der Treckschuyt von Rotterdam nach Amsterdam – nach Delft – nach Harlem – nach Leyden – nach dem Haag zu reisen und an jeder Kirche auf dem Wege seinen Kopf zu zerbrechen, und seine Pfeife auszuklopfen. Dann näherte er sich wieder allmählig Rotterdam, bis er genau an der Stelle ankam, wo die Kirche gebaut werden sollte. Darauf brachte er abermals drei Monate damit zu, um den Platz herum und immer wieder herum zu gehen, ihn bald von der einen, bald von der andern Seite zu betrachten, dann auf dem Canal nach ihm hin zu rudern, dann von der andern Seite der Maas mit einem Teleskop hinzuschauen – und endlich nahm er von der Spitze einer der riesigen Windmühlen, welche die Stadtthore beschützen, die Vogelperspective nach ihm. Die guten Leute, welche um den Platz wohnten, waren auf dem höchsten Grade der Spannung – und ungeachtet aller Unruhe, die mein Urgroßvater machte, war noch kein Zeichen von einer Kirche zu sehen; man fing selbst zu fürchten an, sie werde nie das Licht der Welt erblicken, sondern in den Wehen des großen Plans umkommen. Endlich, nachdem zwölf volle Monde mit Rauchen und Rudern, mit Stehen und Sehen verstrichen – nachdem er ganz Holland durchreis’t und selbst nach Frankreich und Deutschland Abstecher gemacht – nachdem fünfhundert und neun und neunzig Pfeifen und dreihundert Pfund vom besten Virginia-Tabak verraucht waren – versammelte mein Urgroßvater
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