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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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anrühren durfte. Einmal wurde in seiner Abwesenheit das Zimmer rein gemacht; wie schimpfte er da, sagte, alles sey aus seiner Ordnung und nun nicht mehr aus dem Labyrinth zu kommen. Und doch hatte er zuvor oft stundenlang nach Papieren gesucht, die er gut aufgehoben zu haben versicherte. Meine Frau konnte nicht umhin, ihn zu fragen, was er mit so vielem Zeug denn anfange. Seine Antwort: «daß er die Unsterblichkeit suche,»bestätigte sie noch mehr in ihrer Vermuthung über den Gemüthszustand des alten Mannes.
    Er war ein recht eifriges Männchen; wenn er nicht auf dem Zimmer saß, lief er den ganzen Tag in der Stadt nach Neuigkeiten herum und bekümmerte sich viel um die Wahlen. Zu Hause aber schimpfte er auf beide Partheien, die der Nation noch die Röcke vom H–n reißen würden. Unter den Nachbarn galt er als ein Orakel; besonders am Nachmittage, wo sie sich um ihn sammelten, wenn er auf der Bank am Thor sein Pfeifchen rauchte; und gewiß würde er alle auf seine Seite gebracht haben, wenn sie nur jemals hätten klar kriegen können, was er eigentlich meinte.
    Meine Frau verlor endlich, weil gar keine Zahlung erfolgte, die Geduld, und gab ihm zu verstehen, daß es Zeit wäre, «daß gewisse Leute von gewissen Leuten Geld zu sehen bekämen.» Der alte Herr antwortete sehr stolz, sie solle sich keine Ungelegenheiten machen, er habe da drinnen (auf den Mantelsack deutend) einen Schatz, der ihr ganzes Haus aufwiege. Da er nie etwas anderes zur Antwort gab, auch bedeutende Männer zu Verwandten hatte, so wollte sie ihn am Ende frei bei sich hausen lassen, wenn er nur ihren Kindern dafür Unterricht im Buchstabiren geben wollte, vielleicht auch noch den Nachbarskindern dazu; aber das nahm der alte Herr gewaltig übel und sie durfte nicht wagen, diese Saite je wieder zu berühren.
    Ungefähr zwei Monate darauf ging er eines Morgens mit einem Bündelchen in der Hand aus – und ließ nichts weiter von sich hören. Alle Nachforschungen waren vergebens, eben so verschiedene Anzeigen in den Zeitungen.
    Nun glaubte meine Frau, daß wir nicht länger säumen dürften, uns seiner Habe zu bemächtigen. Im Beiseyn seines Freundes, des Stadtbibliothekars, schritten wir zur Eröffnung seines Mantelsacks. Aber es fand sich darin nichts als Stücke von alten zerrissenen Hosen und ein dicker Stoß beschriebenes Papier. Dieses letztere wollte der Bibliothekar für den Schatz gehalten haben, da es eine treffliche und gewissenhaft treue Geschichte von New-York sey, welche herauszugeben er uns sehr anrieth, da wir damit unsere Rechnung zehnfach bezahlt bekämen. Ein sehr gelehrter Schulmeister, der Lehrer unserer Kinder, hat sich an diese Arbeit gemacht und viele schätzbare Anmerkungen beigefügt.
    Dieß sind also die Gründe, warum ich das Buch gedruckt habe, ohne die Einwilligung des Verfassers abzuwarten, und ich erkläre hiermit, daß, wenn er je zurückkommen sollte, (woran ich jedoch leider zweifeln muß), ich wie ein ehrlicher Mann mit ihm abrechnen werde.
    Eines hochzuverehrenden Publikums
unterthäniger Diener
Seth Handaside.
    Independent-Columbian-Hotel, New-York.

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    Das Vorstehende wurde der ersten Ausgabe dieses Werkes vorangedruckt. Bald nach dem Erscheinen desselben erhielt Herr Handaside einen Brief von Knickerbocker, aus einem kleinen holländischen Dorf am Hudson datirt, wo er sich aufhielt, um einigen alten Ueberlieferungen nachzuspüren. Da dieß eines jener glücklichen Dörfer war, die noch keine Zeitungen kennen, so durfte man sich nicht wundern, daß er erst spät und durch bloßen Zufall von jener Verfügung über seinen Nachlaß etwas erfuhr.
    Er äußerte seinen Schmerz über das allzufrühe Erscheinen, welches verschiedene Verbesserungen und Nachträge vereitelt habe.
    Bei einer weiteren Reise hatte er die guten alten holländischen Sitten, die er geschildert, sehr verändert gefunden. In Albani erndtete er zwar großes Lob, aber man wies ihm dort einige grobe Irrthümer nach, besonders den von dem Klumpen Zucker, der zu gemeinschaftlichem Gebrauch über den Theetischen von Albany hänge, eine Sitte, die seit mehreren Jahren abgeschafft worden, und dergleichen mehr, wie auch Fehler hinsichtlich der Genealogieen, welche in diesem republikanischen Lande viele Unruhe machen.
    Der Gouverneur drückte ihm zu verschiedenen Malen die Hand und obgleich er von einem anderen politischen Bekenntniß war, ging er doch so weit, daß er eines Tages nach Tisch an seiner Tafel erklärte, Knickerbocker sey ein recht
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