Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
die ganze kluge und rührige Classe von Bürgern, die sich mehr mit allem andern als mit ihren eigenen Angelegenheiten zu thun machen, und nachdem er seinen Rock und fünf Paar Hosen ausgezogen, trat er herzhaft hinzu und legte den Grundstein zur Kirche – und dieses im Beiseyn der ganzen Menge, als grade der dreizehnte Monat begann.
In ähnlicher Art und Weise habe ich, durchdrungen von dem Beispiel meines würdigen Ahnen, bei Entwerfung dieser sehr authentischen Geschichte verfahren. Die ehrlichen Rotterdamer glaubten ohne Zweifel, daß mein Urgroßvater während der unglaublichen Zeit bis zum Anfang des Baues gar nichts gethan; eben so werden viele Leser glauben, daß alle meine einleitenden Kapitel durchaus überflüssig und zur Sache nicht nöthig gewesen. Aber niemals haben sich gescheute Leute wohl mehr getäuscht; denn nur so konnte meines Urgroßvaters Kirche so herrlich ausfallen, ausgenommen, daß es ihr wie unserm Kapitol in der Stadt Washington erging, die in so großem Styl angefangen wurde, daß das Geld nur zu dem einen Flügel reichte. Auch ich werde, wenn ich im Stande bin, das Werk zu vollenden, den etwas mageren Stoff nach der jetzigen Sitte zu einer so großen Historie verarbeiten, daß alle Welt staunen soll. Nun zum Faden unserer Geschichte.
In dem ewig denkwürdigen Jahr 1609, eines Sonnabends Morgens, am fünfundzwanzigsten Tag des Monates März, alten Styls, segelte «der würdige und unwiederbringliche Entdecker» (wie man ihn sehr passend genannt hat), Herr Heinrich Hudson, von Holland in einem stattlichen Schiff, der Halbmond genannt, in Aufträgen der holländischen ostindischen Compagnie, um einen nordwestlichen Durchgang nach China zu suchen.
Heinrich (oder wie ihn die niederländischen Geschichtschreiber nennen, Hendrik) Hudson war ein Seefahrer von Reputation, welcher unter Sir Walter Raleigh Taback rauchen gelernt und der erste gewesen seyn soll, der ihn in Holland einführte, welches ihn in diesem Lande sehr beliebt machte und ihm die große Gunst Ihrer Hochmögenden, der Herren Generalstaaten, sowie der ehrenwerthen westindischen Compagnie erwarb. Er war ein kurzer derber alter Herr mit einem doppelten Kinn, einem Mund wie ein Bullenbeißer und einer breiten kupfrigen Nase, deren feurige Erscheinung man zu jener Zeit der Nachbarschaft seiner Tabackspfeife zuschrieb.
Er trug einen ächten Andrea Ferrara, in einen ledernen Gürtel eingesteckt, und einen aufgekrämpten Commodore-Hut, den er etwas auf die Seite setzte. Er hatte, wenn er eine Ordre gab, die Gewohnheit, seine Beinkleider aufzuwerfen, und seine Stimme tönte wie das Schmettern einer Kinder-Trompete – von dem Einschlucken des vielen Nordwestwindes auf seinen Seefahrten.
Das war Hendrik Hudson, von dem wir so viel hören und so wenig wissen. Ich habe ihn mit Fleiß so genau gezeichnet, weil ich damit neueren Malern und Bildhauern an die Hand zu gehen wünschte, damit sie ihm nicht, wie sie gewohnt sind, ein Ansehen wie Cäsar oder Marcus Aurelius oder Apoll von Belvedere geben.
Zum Lieblingsgefährten ersah sich der Commodore den Herrn Robert Juet aus Limehouse in England. Einige haben seinen Namen Käut ausgesprochen und behauptet, man habe ihn darum so geheißen, weil er der erste gewesen, der Taback gekäut habe; aber dieses ist Thorheit. Er war ein Jugendkamerad von Hudson, mit dem er oft die Schule geschwänzt und Schiffe von Bäckerholz im nächsten Sumpfe flott gemacht, als sie noch kleine Knaben waren, woher der Commodore den Hang zum Seeleben bekam.
Ein bitterböser Junge in seiner Jugend, wurde er im Leben viel herumgestoßen, machte mehr Reisen als Sindbad der Seefahrer, ohne grade weiser oder schlechter zu werden. In allen Beschwerden tröstete er sich mit einem Mundvoll Taback und mit dem Spruch: «das wird in hundert Jahren noch eben so seyn.» Er schnitt Anker und treue Liebesherzen in die Schiffswände und galt für einen witzigen Kopf an Bord, weil er alle nach der Reihe foppte und dann und wann dem alten Hendrik ein schiefes Maul zog, wenn dieser den Rücken wandte.
Diesem Genie verdanken wir viele Einzelnheiten über gegenwärtige Reise, indem er ihre Geschichte auf Verlangen des Commodore niederschrieb, der einen unbesieglichen Widerwillen vor dem Schreiben hatte, weil er darüber in der Schule viele Ohrfeigen bekommen. Da Juet indessen so kurz erzählt, wie ein Schiffstagebuch, so bediene ich mich noch einiger Familien-Traditionen von meinem Ururgroßvater her, welcher als Schiffsjunge bei
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