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Gut geplant ist halb verloren

Gut geplant ist halb verloren

Titel: Gut geplant ist halb verloren
Autoren: Steffi von Wolff
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Gut geplant ist halb verloren
    O du fröhliche, o du selige? Weihnachten, das Fest der Liebe? Alles ist gut, alles ist fein? Singen, lachen, tanzen? Neee. Bei mir nicht. Ich mache mir zwar ab Mitte Juni darüber Gedanken, was es in der Vorweihnachtszeit wieder alles zu tun geben wird, und spätestens ab September – nämlich dann, wenn die ersten Schokoladenweihnachtsmänner in den Supermarktregalen vor sich hin schmelzen – nehme ich mir vor, diesmal alles, wirklich alles rechtzeitig zu erledigen. Aber dann vergesse ich es wieder. Wie die letzten Tage und Stunden vor dem Heiligen Abend bei mir aussehen? Das will eigentlich niemand wirklich wissen …
    Samstag, 22. Dezember 7 Uhr 10
    Da haben wir den Salat! Noch zwei Tage bis Heiligabend. Ja, gibt es denn so was? Wo ist denn die Zeit nur geblieben? Es weihnachtet, es weihnachtet überall, und das nicht zu knapp. Und noch nichts, nichts, nichts ist bei mir zu Hause zufriedenstellend erledigt. Jetzt aber ran an den Speck. Gott, was für ein Stress. Jedes Jahr dasselbe!
    Was, schon zehn nach sieben? O Gott, hab verschlafen, muss noch so viel erledigen. Schnell duschen. Kaffee. Wo ist der Einkaufszettel? Und wo ist die »Zu erledigen«-Liste? Alles weg! Nein, da liegt ja beides. Ein Glück.
    Huch, so viel noch zu tun: Gardinen waschen, abstauben, Backofen sauber machen, Kaffeemaschine entkalken, Gans bestellen, ach, ach, ach. Diesmal sind wir zwölf Personen an Heiligabend, sechzehn am ersten und achtzehn am zweiten Weihnachtsfeiertag. Gute Güte, ich brauch noch Stühle! Reichen die Gläser? Besteck? Wo sind Tischdecken? Ich bekomme Kopfschmerzen. Sie fangen schleichend an. Ich weiß, dass sie schlimmer werden.
    8 Uhr 50
    Wo sind die Wagenschlüssel? Ja, Mama bringt Süßigkeiten mit. Natürlich liebe ich meine Kinder, auch wenn mir die mütterlichen Gefühle gerade spontan abhandengekommen sind. Genauso wie meine EC-Karte. Weg. Argh! Kann alles vergessen. Muss mit dem Bus fahren. Habe keine Schlüssel und kein Geld. Ich bin ein Nichts.
    9 Uhr 30
    Wagenschlüssel und EC-Karte sind wieder aufgetaucht. Hatte beides die ganze Zeit in der Hand.
    9 Uhr 45
    Parkplatzsuche.
    10 Uhr 45
    Parkplatz gefunden! Kein Kleingeld für den Parkautomaten. Gehe wechseln und lächle dem netten Hilfspolizisten, der mir entgegenkommt, gewinnend zu.
    10 Uhr 50
    Komme zurück. Netter Hilfspolizist hat mich bereits aufgeschrieben. Ich werfe das Kleingeld hoch und rufe: »War nur wechseln!« Keine Chance. Schulterzucken des Gegenübers. Geht weiter. Sieht entspannt aus, ganz entspannt. Ja, super. Der hat wahrscheinlich eine Frau zu Hause sitzen, die alles schon seit Ostern erledigt hat. Jetzt nicht heulen, an die Kontaktlinsen denken. Habe schon gar keine Lust mehr. Weder auf Weihnachten noch auf sonst irgendwas. Wozu habe ich eigentlich studiert? Ich bin keine Hausfrau! Ich bin eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Eine Frau, die was Besseres zu tun hat, als ein Jahr an der Kasse zu warten. Muss doch weinen. Passanten, die mich fragen, was los ist, erzähle ich, dass mein Mann mich verlassen hat. Wegen einer, die die Weihnachtsvorbereitungen mit links wuppt. Was Besseres fällt mir auf die Schnelle nicht ein. Die Passanten gehen daraufhin schnell weiter. Ich bin ihnen bestimmt peinlich.
    13 Uhr 20
    Geschafft! Alles eingekauft! Habe Stunden an Fleisch-, Käse-, Brottheke verbracht und noch nie genug Selbstbewusstsein besessen, um Vordrängler wieder zurückzudrängeln. Auf die Stunde kommt es auch nicht mehr an.
    Gott, ist das kalt. Schnell zum Auto. In jeder Hand neun Tüten. Mitten auf der Hoheluftchaussee reißen drei davon. Natürlich die, in denen sich Wein-, Milch-, Sherry- und Saftflaschen befanden. Zweihundert Euro liegen in Scherben herum. Tief Luft holen. Leute bleiben stehen und schütteln den Kopf. Autos hupen. Stau. Ich kann nicht mehr. Fange gleich an zu schreien.
Tief einatmen
, hat Oma immer gesagt:
Denkst du, es wird nichts mehr geh’n, zähl bis zehn.
Und:
Ruhig Blut und einen klaren Kopf behalten
. Zähle. Komme aber nur bis zwei, weil noch eine Tüte reißt. Nette Frau kommt und sammelt mit mir Scherben ein. Danke.
    14 Uhr 50
    Alles ausgepackt. O nein! Einkaufszettel ging auf der anderen Seite ja noch weiter. Wünsche mir, in der Zeit zu leben, in der die Familien noch Butler, Hausmädchen, Köchinnen und Zofen hatten. Eine davon würde ich jetzt mit der Droschke zum Kolonialwarenhändler jagen und mich selbst im Reifrock meinem ländlichen Stickbild widmen. Am
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