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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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aus großer Verlegenheit reißt, sondern auch dieses einleitende Buch beschließt.
    Ein Geschichtschreiber gleicht in gewisser Hinsicht einem abenteuerlichen Ritter, der sich auf seinem ehrenvollen Zuge, wo tausend Gefahren seiner warten, vor keinem Feinde fürchtet, und vor keinem noch so schrecklichen Ereigniß zurückbebt. So gewappnet hebe auch ich mit Entschlossenheit die Feder und gehe mit aller Kraft auf jene herzhaften Fragen und subtilen Paradoxen los, die wie feurige Drachen und blutgierige Riesen das Thor einer Geschichte besetzt halten und mir den Eingang wehren wollen. Und grade jetzt steigt eine riesenhafte Frage auf, die ich sogleich bei’m Bart fassen und darniederwerfen muß, ehe ich auf meinem historischen Grund und Boden einen Schritt weiter thun kann – aber es ist sicher auch der letzte Gegner, der zu bekämpfen ist, und ich werde den Leser dann im nächsten Buche im Triumph mitten in’s Werk,
medias in res,
versetzen.
    Die Frage, welche sich so mit einem Male erhoben, ist die: Welches Recht hatten die ersten Entdecker von Amerika, von einem Lande Besitz zu nehmen, ohne die Bewohner um Erlaubniß zu fragen oder sie für den Verlust zu entschädigen? – ein Punkt, der äußerst wichtig, und für viele zarte Gewissen höchst beunruhigend ist.
    Die erste Quelle des Rechtes, wodurch Eigenthum in einem Lande erworben wird, ist die Entdeckung . Alle Menschen haben ein gleiches Recht auf Dinge, die zuvor Niemanden angehörten, und so auch die Nationen, wie Grotius, Puffendorf und Vattel lehren.
    Dieses zugegeben, folgt klar, daß die Europäer, welche Amerika zuerst besuchten, die wahren Entdecker waren. Um dieses Recht festzustellen, bedarf es nur des einfachen Beweises, daß es von Menschen völlig unbewohnt war. Dieses möchte anfangs etwas schwierig erscheinen, denn es ist sehr bekannt, daß dieser Welttheil von gewissen zweibeinigen, aufrecht einhergehenden Thieren wimmelte, die etwas von den menschlichen Zügen hatten, unverständliche Töne ausstießen, welche sehr einer Sprache glichen, kurz die eine merkwürdige Aehnlichkeit mit den Menschen hatten. Aber die eifrigen erleuchteten Väter, welche die Entdecker begleiteten, um das Reich des Himmels zu erweitern, indem sie Klöster und Bisthümer auf Erden gründeten, klärten die Christen über diesen Punkt, zum großen Wohlgefallen ihrer Oberen und aller christlichen Reisenden, in Kurzem auf.
    Sie bewiesen, daß diese zweibeinigen Thiere Menschenfresser, Ungeheuer, ja Riesen seyen; daß sie eine unbesiegliche Unempfindlichkeit gegen die Eindrücke der Cultur besäßen; daß sie keine Bärte hätten; daß sie kupferfarbig, das heißt, grade so wie die Neger seyen, die Neger aber seyen schwarz, und «schwarz», sagten die frommen Väter, indem sie sich andächtig bekreuzten, «schwarz ist die Farbe des Teufels;» – endlich, sagte man, bewohnten sie wie die wilden Thiere die Wälder. – Nach alle diesem müßten die zweibeinigen Thiere unterjocht oder ausgerottet werden.
    Ein zweites Recht ist das der Anbauung . Vattel lehrt, daß jede Nation verpflichtet sey, den ihr zugefallenen Grund und Boden zu bebauen. Wer aber, wie die alten Deutschen und die neuern Tartaren, ein fruchtbares Land nicht bauen wolle, und lieber vom Raube lebe, « müsse wie ein wildes und gefährliches Thier ausgerottet werden. »
    Da dies die Indianer trifft, da sie unnütze Knechte waren, die nicht arbeiten wollten, sondern umherschweiften, und nahmen, wo sie etwas bekamen, so mußten sie natürlich ausgerottet werden. Daß sie so wenig Bedürfnisse hatten, bewies grade ihre Rohheit, denn erst die Menge und Größe der Bedürfnisse macht den Menschen – sie waren also unvernünftiges Vieh. Aber kaum sahen die wohlwollenden Bewohner von Europa ihre traurige Lage, als sie ihnen hülfreich beisprangen. Sie machten sie mit Rum, Branntwein, Fusel und anderen Tröstungen des Lebens bekannt, und es ist erstaunlich, wie schnell die armen Wilden diese Segnungen schätzen lernten. Sie machten sie auch mit Heilmitteln gegen die hartnäckigsten Krankheiten bekannt, und um ihnen diese Wohlthaten recht angedeihen zu lassen, führten sie erst jene schweren Krankheiten ein. Durch diese und andre Dinge wurde der Zustand der armen Wilden unendlich verbessert, und da derjenige die meisten Quellen des Glückes besitzt, der recht viele Bedürfnisse befriedigen kann, so waren auch sie nun viel glücklichere Wesen. Aber der wichtigste Zweig der Civilisation, ein Recht, welches die
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