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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi
Autoren: Nicola Förg
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eingeladen, zu kommen. Dass ich so früh eintreffen würde, hat ihn überrascht. Er kam aber leider nicht mehr rechtzeitig aus seinem Wickel heraus. Ich kann ihnen gerne meine Parkquittung vom Hausberg für die fragliche Zeit und einen Tankbeleg aus dem Allgäu zeigen. Ich war dort. Ich habe per Karte bezahlt, das können sie ja sicher nachprüfen.«
    Irmi atmete tief durch und blickte auf das Aufnahmegerät. Sie wäre am liebsten in den Boden versunken, hätte sich einfach in Luft aufgelöst, wäre durch die Wände diffundiert. Sie fröstelte. Es war kühl in diesem unbewohnten Haus.
    »Wann haben Sie das Insulin denn genommen?«
    »Am Freitag in der Früh. Ich war beim Blumengießen.«
    »Da war Johannes im Haus!« Irmi versuchte ihren Blick zu erhaschen, aber sie sah weg.
    »Er wird noch geschlafen haben. Studenten schlafen lange.«
    »Warum waren Johannes’ Fingerabdrücke auf dem Schrank?«, hakte Irmi nach.
    »Gott, er ist der Sohn. Da wird er schon mal was rausgeholt haben! Johannes wusste nichts, warum sollte er?«
    Irmi nickte Kathi zu. »Frau Mayr, wir sind gleich wieder da.« Sie gingen hinaus, den Gang entlang in ein anderes Zimmer. Es war wohl Geipels Büro. Ein gemütlicher alter Ledersessel stand vor einem Kamin, der leider kalt war. Irmi hätte etwas Wärme vertragen.
    »Und?«, fragte Irmi.
    »Na ja, es könnte so gewesen sein.«
    »Einen Scheißdreck könnte es!«, schrie Irmi. Kathi zuckte regelrecht zurück. »Lass mich bitte kurz allein. Bitte!« Mehr brachte sie nicht heraus. Kathi stolperte hinaus. Verwirrt, aber ohne zu maulen.
    Irmi setzte sich auf die Sessellehne. Ihre Finger glitten über das Leder. Helga Mayr log. Vielleicht nicht komplett, aber sie log. Irmi schloss die Augen. Ließ die Bilder ablaufen. Plötzlich mischte sich Wally darunter mit ihren treuen Augen. Aber da waren noch mehr Knopfaugen. Am Kreuz, auf den Bildern, die Kathi vom Tatort gemacht hatte, hatte ein Plüschpferd sie angesehen. Solche Augen hatten sie auch angeblickt am kleinen Kreuz, wo Ann-Kathrin gestorben war. Plüschtiere, ein Friedhof der Kuscheltiere. Friedhof, Todesengel, Kreuz …
    Noch ein Bild stieg auf. Kathi hatte ihr doch eins von Johannes gezeigt. Irmi brüllte auf den Gang hinaus: »Kathi, hast du deine Kamera dabei?«
    Kathi kam angetrabt. »Ja, wieso?« Ihr Blick besagte: Drehst du nun total hohl?
    »Der Hase soll das in seinem Bus auf den Laptop hochladen. Ich will das Bild von Johannes sehen. Sofort!«
    Wenig später stand Irmi beim Hasen. Auf seinem Laptop war Johannes zu sehen. Der hübsche junge Mann lachte. Er hatte eine Bierflasche in der Hand und prostete in die Kamera. Er hatte Muskeln an den Armen. Man musste das nicht einmal vergrößern. Was auf seinen Armen zu sehen war, war keine Tätowierung. Das war ein Ausschlag. Riesen-Bärenklau! Das Bild war am Sonntag in München aufgenommen worden, an jenem Sonntag nach besagtem Freitag am Hausberg.
    Irmi sprach mit äußerster Beherrschung: »Ich möchte mit Frau Mayr unter vier Augen reden.«

19
    Irmi verschwand in die Küche, wo Helga Mayr regungslos saß, und schloss die schwere alte Holztür hinter sich.
    »Schöne Geschichte! Und nun bitte die Wahrheit.«
    »Das ist die Wahrheit!«
    »Frau Mayr, das Aufnahmegerät ist aus.« Irmi schaltete es ab und schob es zudem unter eine Decke, die auf der Küchenbank lag. »Sie können mich durchsuchen, ob ich ein anderes an mir trage. Und selbst wenn, würde das als Beweis nicht zugelassen werden. Sagen Sie mir die Wahrheit. Für mich – und für Sie!« Helga Mayr schwieg.
    »Gut, dann fange ich mal an. Ich glaube Ihnen, dass Sie bei Martin den Impuls ausgelöst haben, Fischer die Hütte anzubieten. Ich glaube Ihnen auch, dass Martin vorhatte, Fischer lächerlich zu machen und zu demütigen. Und ich weiß, dass Sie durch ihren erneuten und längeren Kontakt zu Martin Maurer emotional mehr aushalten mussten, als ein Mensch aushalten kann.«
    Helga Mayr saß da, als warte sie darauf, wie die Geschichte weiterginge.
    »Gut, Frau Mayr, also weiter im Text. Sie waren beim Blumengießen, aber Johannes war schon wach. Sie erwischten ihn, wie er den Schrank aufbrach und stellten ihn zur Rede. An dieser Stelle bin ich auf Ihre Hilfe angewiesen. Warum gerade jetzt, warum am Hausberg, warum das Kreuz?«
    Helga Mayr blieb stumm.
    Irmi sprach ganz leise weiter: »Ich habe im Laufe meiner Ermittlungen das große Kreuz aus den Augen verloren. Aber jeder Mörder will uns mit dem Fundort des Opfers etwas sagen.
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