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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Autoren: Evelyn Sanders
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glühende Sonne, dann empfing sie die klimatisierte Kühle des Flugzeugs.
    Diesmal wunderte sich Frau Antonie nicht mehr über die Kostümierung der Passagiere, hatte sie doch selbst geschwankt, ob sie das Jackenkleid in den Koffer legen und sich etwas luftiger kleiden sollte, aber dann hatte doch die Gewohnheit gesiegt. Man würde ja in Frankfurt durch den ganzen Terminal laufen müssen, da wäre sie sich in einem Sommerkleid doch reichlich deplaziert vorgekommen.
    Nur wenige Sekunden lang umklammerte sie während des Starts Tinchens Arm, dann lehnte sie sich entspannt zurück und sah interessiert aus dem Fenster. »Erstaunlich, wie schnell so ein Flugzeug an Höhe gewinnt. Schau einmal, Ernestine, das Flughafengebäude sieht schon wie Spielzeugaus.« Nein, Angst vorm Fliegen hatte Frau Antonie nicht mehr. Sie hatte sich nun selber überzeugen können, daß es funktionierte.
    Julia schlief. Tobias schlief. Karsten schlief. Und Florian schnarchte sogar. Nur Tinchen schlief nicht, weil ihre Mutter sich bemüßigt fühlte, sie zu unterhalten. »Guck mal schnell aus dem Fenster, ich glaube, das da unten ist eine Elefantenherde.«
    »Mutti, aus zehntausend Meter Höhe kannst du keine Elefanten erkennen.«
    »Was sollte es denn sonst sein?«
    »Wahrscheinlich Bäume.«
    Endlich sah Frau Antonie ein, daß Tinchen gar nicht unterhalten sein wollte. Sie holte ein Buch aus der Tasche und vergrub sich in die Memoiren von Ilse Werner. Das war doch wenigstens noch ein richtiger Filmstar gewesen! Heute gab es so was ja gar nicht mehr.
    Erst zum Mittagessen wurden die Siebenschläfer munter. Auch Frau Antonie klappte ihr Buch zu, nicht ohne vorher mit dem Salztütchen, das man ihr zum Tomatensaft gereicht hatte, die Seite zu markieren. Dann schaute sie wieder einmal aus dem Fenster. »Wir sind nicht mehr über dem Urwald, Ernestine, wir sind jetzt über der Sahara.« Und gleich danach, beim Anblick der endlosen Sandfläche: »Endlich mal etwas, wovon es genug gibt.«
    Über dem Mittelmeer versperrten erste größere Wolkenfelder die Sicht nach unten, von Kreta sahen sie gar nichts, und als der Pilot via Lautsprecher verkündete, man habe nunmehr das europäische Festland erreicht, war die Wolkendecke zu.
    »Ich hätte doch lieber in Kenia bleiben und Tauchlehrer werden sollen«, sagte Tobias, in die graue Soße unter ihm starrend. »Fahren wir nächstes Jahr wieder hin?«
    »Ich hoffe doch sehr, daß du nächstes Jahr um diese Zeit in irgendeinem Hörsaal sitzt«, gab Florian zur Antwort.
    »Weshalb eigentlich? Nur, um das Heer arbeitsloser Akademiker zu vergrößern? Als Tauchlehrer verdient man gar nicht schlecht, hat Joe gesagt, und man hat das ganze Jahr Ferien. Ich muß mir das echt mal überlegen.« Er fing gleich damit an, indem er den umfangreichen Prospekt der Tauchschule aus seinem Rucksack kramte und sich in die ausführlichen Schilderungen der einzelnen Lehrgänge vertiefte.
    Auch Tinchen dachte nach. Sie wußte natürlich, daß solch ein aufwendiger Urlaub so bald nicht wieder in Frage kommen würde, aber wenn sie für ihren eigenen Anteil selbst aufkommen könnte, wäre Florian vielleicht nicht abgeneigt. Gefallen hatte es ihm ja, er hatte selbst gesagt, daß Kenia kein Vergleich sei mit Spanien oder der Türkei. Nur seien im nächsten Jahr höchstens zwei Wochen Sauerland drin, mehr könnten sie sich bei seinem derzeitigen Defizit auf dem Bankkonto bestimmt nicht erlauben. »Urlaub ist der große Gleichmacher«, hatte er behauptet, »wer verreist, ist, wenn er wiederkommt, genauso abgebrannt wie der, der zu Hause geblieben ist, weil er sich eine Reise nicht leisten konnte.«
    Tinchen scheuchte Julia auf den Platz neben ihre Großmutter und setzte sich selbst zu Florian. »Wieviel darf ich eigentlich verdienen, ohne Steuern zahlen zu müssen?«
    Verwundert sah er sie an. »Wieso fragst du? Willst du etwa arbeiten gehen?« Er schüttelte den Kopf. »Laß das lieber bleiben, Tine. Wenn du zehn Mark in der Stunde kriegst, gibst du im nächsten Laden zwölf davon aus.«
    Sie hörte gar nicht hin. »Frau Berlinger von der chemischen Reinigung hat mich nämlich schon öfter gefragt, ob ich nicht hin und wieder aushelfen könnte, samstags oder vor Feiertagen, wenn besonders viel Betrieb ist. Und während der Ferien. Meinst du, ich sollte das mal versuchen?«
    »Wenn’s dich glücklich macht …«
    »Natürlich würde es mich glücklich machen. Ich brauche mir nur vorzustellen, wie ich im nächsten Jahr wieder über den
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