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Huebsch in alle Ewigkeit Roman

Titel: Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Autoren: Emma Flint
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tot. Wir können keine feste Nahrung mehr verdauen und haben keine Magensäure, also ist gegen ein bisschen kotzen auch nichts einzuwenden. Das ist nur essen rückwärts. Ich könnte sogar das Erbrochene essen . Da ist nichts dran. Das ist nur Schokobrei. Nichts weiter.«
    »Untersteh dich!«
    »Mach ich ja auch nicht, keine Sorge«, sage ich. »Da fehlt einfach der Crunch. Und das Knacken des Schokoladenüberzugs, gefolgt von dieser hauchdünnen Zuckerschicht, die wie die dünne Eisschicht auf einer Pfütze zersplittert und den kleinen Sturzbach Kirschlikör auf die Zunge strömen lässt…«
    Vivian stöhnt auf. »Schon gut, ich hab verstanden.«
    Es klopft schon wieder. Diesmal ist es Frau Keller, die im Erdgeschoss wohnt. Sie bringt ein Paket vorbei, das sie tagsüber für uns angenommen hat. Vivian schleppt es herein. »Was schickt uns der RTL-Shop denn schon wieder?«, fragt sie misstrauisch.
    »Nichts«, sage ich und versuche ihr das Paket abzunehmen.
    Sie hält es fest. »Leni?«, sagt sie drohend, und ich weiß,
es gibt Ärger. In letzter Zeit habe ich es zugegebenermaßen mit dem Homeshopping ein bisschen übertrieben. Aber ich habe nur total praktische Sachen zu Schnäppchenpreisen gekauft! Das japanische Messerset, zum Beispiel, damit kann man sogar Konservendosen aufschneiden! »Und was für Konservendosen, bitte schön?«, hatte Vivian total gemein gefragt. »Sag bloß, du willst ab jetzt Mexikanischen Feuerzauber essen?«
    »Natürlich nicht«, hatte ich gesagt, »aber wenn man mal ein wirklich scharfes Messer braucht, dann freuen wir uns!« Aber Vivian hatte an allem was auszusetzen. An der einmaligen Teddybärenkollektion (Okay, in echt ist sie nicht ganz so niedlich wie im Fernsehen, aber dafür haben wir jetzt einen Matrosenteddy, einen Lokomotivführerteddy und einen Gentlemanteddy in limitierter Sonderauflage - man muss sich nur mal vorstellen, was die in hundert Jahren wert sind!), an der Gitarre (Sie war auch nicht durch meine Beteuerung zu besänftigen, dass ich bald anfangen würde zu spielen. »Wann bald? «, hatte sie gefragt. »In zwanzig Jahren?« Ihr wollte einfach nicht einleuchten, dass für ein ewiges Leben zwanzig Jahre so gut wie nichts sind.), und natürlich moserte sie auch über den batteriebetriebenen Mückenfänger in Form eines Federballschlägers, mit dem man Mücken einfach aus der Luft pflücken kann, denn sie verbrutzeln an der unter Strom stehenden Schlagfläche. »Hast du auch nur einen einzigen Mückenstich gehabt, seit du Vampir geworden bist?«, hatte sie gefragt.
    »Äh, nein. Aber das auch nur, weil ich Glück gehabt habe«, hatte ich gesagt.

    Sie hatte die Augen verdreht. »Leni, denk doch mal nach. Wovon ernähren sich Mücken normalerweise?«
    »Ja, Miss Schlaumeier, aber auch wenn sie unser schlammiges Blut nicht trinken, hasse ich das Gesurre, wenn sie einem um die Nase fliegen! Außerdem hört es sich total super an, wenn man den Schläger durch die Luft schlägt! Siehst du!« Wir hatten den Mückenfänger ein paar Mal zischen lassen, als ob man auf einen Federball eindrischt - und auch wenn Vivian es nicht zugegeben hatte, hatte ich doch gemerkt, dass es ihr auch gefallen hatte.
    Na ja. Jedenfalls ist Vivian nicht gut auf mein Shopping-Hobby zu sprechen, vor allem weil unser Aktiendepot, mit dem wir unseren Lebensunterhalt bestreiten, ein klein wenig unter der Wirtschaftslage gelitten hat. Und angesichts dieses Neuerwerbs schwant mir ein besonders übler Streit.
    Sie reißt mit grimmiger Miene das Paket auf und fördert die säuberlich in Plastik eingepackten Sachen zutage. »Leni? Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«, fragt sie, »Schwimmflügel? Ein aufblasbarer Krokodilreifen? Ein Sonnenschirm? Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank? Was willst du denn damit?«
    Ich beiße mir verlegen auf die Lippen.
    »Leni, sag was!«
    »Es tut mir leid, Vivian, aber in der Werbung sah es so schön aus«, sage ich leise, »das Meer, all die fröhlichen braungebrannten Leute. Die Kinder, die im Sand buddeln. Die Sonne…«
    »Oh, verflixt, Leni, komm mal her.« Vivian nimmt
mich in den Arm. So verharren wir einen Moment, dann sagt sie: »Komm, es wird Zeit!« Wir schauen uns an und rufen gleichzeitig: »Partytime!«

1989

    Hamburger Abendblatt, 17. Januar 1989
    Zwei Mädchen nach Discobesuch verschwunden
    Vor drei Tagen verschwanden die Metzgerstochter Vivian Schlevogt und ihre Freundin Helene Burmanns auf mysteriöse Weise. Nach dem Besuch der Diskothek Carpe
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