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Huebsch in alle Ewigkeit Roman

Titel: Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Autoren: Emma Flint
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war in unserer Stufe gewesen und bei einem unsäglichen Fest zum hundertjährigen Jubiläum der Schule zur »Miss Lessing-Gymnasium« gekürt worden (wir hatten sie selbstverständlich nicht gewählt), was sie wiederum zum meistgehassten Mädchen gemacht hatte. Sie war eine dürre, aufgedonnerte Ziege mit sehr blonden Haaren, langen lackierten Fingernägeln und extrem schmal gezupften Augenbrauen gewesen, die zu Zeiten von buschigen Achseln und unrasierten Beinen nur ein Gesprächsthema kannte: das Entfernen von Körperbehaarung. Vivian und ich und ein paar andere Mädchen lästerten liebend gerne über »Lady Shave«. Lady Shave war nicht besonders schlau, aber schlau genug, um sich durch die Schulzeit und das Abi zu mogeln, wobei ihr die blauen Augen halfen, denn sie war sich nicht zu fein, jeden mit Dackelblick um Hausaufgaben anzubetteln. (Vivian und ich würden es nie zugeben, aber den Trick mit dem Augenaufschlag haben wir bei ihr abgeschaut.) Jedenfalls hatte ich wegen der stressigen Prüfungen im letzten Schuljahr ein klitzekleines
bisschen zugelegt. (Okay, genau genommen waren es sieben Kilos! Bei eins achtundsechzig! Schluck…) Und als Lady Shave mich von oben bis unten angegafft und dann mit schneidender Stimme gesagt hatte, dass ich später mal richtig fett werden würde, da gäbe sie mir eine »hundertprozentige Garantie« drauf, da hatte sie natürlich meinen wunden Punkt getroffen. Diese dumme Kuh. War ausfallend geworden, nur weil sie im Sportunterricht mehr auf ihre Fingernägel als auf den Ball geachtet hatte und ich ein einziges Mal den Ball richtig cool getroffen hatte. (Wow, war der abgegangen!) Das sind die Momente im Leben, die sich für immer ins Gedächtnis einbrennen. Ich vergesse nach ungefähr drei Minuten, wann im Englischen der verdammte Present Perfect Progressive genommen wird, aber dass Sandra Albrecht mir eine Zukunft als Fettklops vorausgesagt hat, das werde ich niemals vergessen! Ich war so wütend und verletzt gewesen, dass ich am liebsten heulend aus der Halle gelaufen wäre. Vivian und die anderen hatten mir aber den Rücken gestärkt, und als Vivian zu Lady Shave gesagt hatte, dass sie sich mal lieber den Damenbart abrasieren sollte, da hatten alle gelacht. Aber trotzdem konnte ich ihren Satz und vor allem ihren vernichtenden Blick nicht aus dem Kopf kriegen, und nur deswegen hatte ich die Adventszeit mit Knäckebrot und Magerquark überstanden. »Siehst du, Vivi, ob du willst oder nicht, Lady Shave hat einen Anteil daran, dass ich diese Jeans anziehen kann. Sie passt! Ist das nicht unglaublich!?«
    »Bevor du Lady Shave um den Hals fällst, warte lieber
ab, ob die Hose in drei Wochen auch noch passt«, sagte Vivian grimmig.
    Ich schluckte. »Wie meinst du das?«
    Vivian wurde rot. »Äh, das hab ich nur so gesagt.«
    »Diesmal halte ich mein Gewicht«, sagte ich. »Da kannst du einen drauf lassen.«
    »Ja klar, natürlich! So, und jetzt lass uns gehen! Sonst verpassen wir den nächsten Bus auch schon wieder!«
     
    Vivian und ich waren uns einig: Es gab nichts Besseres, als samstagabends tanzen zu gehen. Nein, das stimmt nicht ganz. Es gab doch noch was Besseres: samstagabends mit Topfigur und neuer Frisur tanzen zu gehen - oder wie wir das nannten: abzuzappeln. Im Carpe Noctem war es knallvoll und total verraucht. Wir hatten einen Platz an der Bar ergattert, tranken Tequila Sunrise und ließen die Blicke schweifen. Es war ganz klar, nach wem wir Ausschau hielten: Tobias Backer, genannt »der Backes«. Wir kannten ihn von der Schule, er war eine Stufe über uns gewesen, was ihn in unseren Augen unerreichbar gemacht hatte. Aber jetzt war die Schule schon fast ein Jahr vorbei. Vivian studierte, und ich machte eine Lehre zur Bankkauffrau. Der Backes hatte seinen Wehrdienst abgeleistet und feierte - wie wir gehört hatten - seine neue Freiheit gerne im Carpe Noctem. Er war schon immer gut aussehend gewesen, hatte strohblonde kurze Haare, breite Schultern und ein selbstbewusstes Grinsen, das er den Lehrern gerne entgegengehalten hatte, wenn sie ihn aufgefordert hatten, doch endlich mal ruhig zu sein und mitzumachen. Der Backes war so was wie eine Schul-Legende, ihm wurden
alle möglichen Streiche angedichtet, und ein paar Mal hieß es, er sei von der Schule geflogen. Die Mädels hatten ihn bewundert, und auch Vivian und ich hatten ihn immer mit Blicken verfolgt, wenn er mit seinen Jungs über den Schulhof stolziert war. Aber der Backes war nie solo gewesen, hatte »nie was
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