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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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angeschafft, der aber nur unwesentlich leiser war. In der Waldesstille im Waldfrieden wurde jedes Geräusch als störend empfunden.
    Die Beschwerde kam auf keinen Fall aus dem Haus Nr. 11, wo Honeckers wohnten. Denn Margot Honecker fuhr privat selbst einen Wartburg. Und sie hatte durchgesetzt, dass ihr Auto nicht im Fuhrpark im Außenring stand, sondern wie bei jedem normalen Menschen vorm Haus. Es war nicht nur gewünschte Normalität, sondern auch der erfolgreiche Versuch, ihren Personenschützern zu entkommen (was natürlich auch mit der Herstellung von Normalität und Egalität zu tun hatte). Sie bestieg ihren Wartburg und war einfach weg. Ohne Vorwarnzeit entwischte sie ihren Aufpassern nach Berlin oder sonstwohin.
    Die vorm Klubhaus abgestellten Lieferfahrzeuge nahmen in den 70er Jahren auffällig zu. Ein Auto stand zur allgemeinen Verfügung, ein weiteres (mit Fahrer) wartete ausschließlich zur Realisierung einer Order von Erich Honecker, je ein Fahrzeug war nur für Günter Mittag und Horst Sindermann bestimmt, und zwei weitere Autos für den seltenen Fall, dass zwei Politbüromitglieder am Samstag oder Sonntag gleichzeitig 12.30 Uhr ihr Mittag serviert haben wollten.
    Normal war das alles nicht, aber daran nahm niemand Anstoß. Es war halt so. Auch dass das gesamte Klubhaus die meiste Zeit nur auf Stand-by war.
    In den 60er Jahren kam Walter Ulbricht gelegentlich vorbei und trank seinen Beaujolais. Den Rotwein hatte er offenkundig in seinem französischen Exil schätzen und lieben gelernt, anderen Wein oder gar harte Sachen trank er nicht.
    Weitere Bewohner, auch Honecker, erschienen in den frühen Jahren, wie schon erwähnt, regelmäßig zum Skat mit drei, vier Kollegen. Werner Jarowinsky kam oft, Paul Verner vorzugsweise an den Wochenenden, auch Horst Sindermann war häufig Gast. Doch die meiste Zeit blieben die zwölf Tische – sieben an der Fensterfront – so leer wie die Couchecke, der Billardraum und die Kegelbahn. Der Kinosaal mit 50 Plätzen war vermutlich niemals voll, ich habe es jedenfalls nie erlebt. Gespielt wurde planmäßig donnerstags, samstags und sonntags, am Sonntagvormittag wurde ein Kinderprogramm angeboten. Paul Verner war immer da, Frau Jarowinsky manchmal, Kurt Hager nur, wenn er musste. Denn manchmal gab es Vorabaufführungen oder Abnahmen, bei denen man sich kollektiv eine Meinung bildete, ob es sich um einen guten oder um einen schlechten Film handelte.
    Gespielt wurde, wenn einer im Saal saß. Wenn jemand, der den 20-Uhr-Film aus irgendwelchen Gründen nicht sehen konnte, diesen beispielsweise schon um 16 Uhr vorgeführt bekommen wollte, dann wurde selbstredend der Wunsch erfüllt – und zur regulären Zeit lief der Film noch einmal. Sofern ihn dann jemand sehen mochte. Der Filmvorführer war für jede Abwechslung dankbar. Später, in den 70er und 80er Jahren, als Honecker zunehmend das Gästehaus am Döllnsee nutzte, musste er mit seinem Projektor dorthin.
    Zu den unangenehmsten Gästen zählte übrigens Günter Mittag. Er kreuzte prinzipiell unangemeldet auf und verlangte stets Kotelett nature, scharf gebraten und mit einem möglichst großen Knochen, den er mit Genuss abnagte. Dazu verlangte er Kopfsalat mit Speckgrieben. Das ging ja noch hin. Er trank dann zum Wasser einen Weinbrand, schließlich einen zweiten, weil man auf einem Bein nicht stehen konnte, beim dritten lud er den Kellner ein, weil er nicht allein trinken mochte. Das widersprach nun allen Regeln der Gastronomie, doch uns war befohlen, jeden Wunsch unserer Gäste zu erfüllen, also auch diesen. Und das war das Ärgernis. Ich bin oft nahezu volltrunken zum Bus gewankt, der uns nach Berlin brachte. Gottlob ließ das in den 70er Jahren nach, die Genossen liefen auseinander und trafen sich nicht mehr im Klubhaus. An den Wochenenden saßen sie auf ihren formidablen Datschen und gingen gelegentlich zu zweit oder zu dritt auf die Jagd.
    Auch wenn die Politbüromitglieder selten unsere Gäste im Klubhaus waren und wir sie nicht angafften, sondern nur bedienten, registrierten wir sehr wohl ihre Tischmanieren. Generell kann man sagen, dass diese in der Regel verbesserungsbedürftig waren. Die meisten hatten ganz offenkundig keine gute Kinderstube, wo man es ihnen beibrachte, wie man sich bei Tisch zu benehmen hat. Da wurde schon mal mit vollem Mund gesprochen und vernehmlich die Suppe geschlürft wie es die Chinesen tun, und ein Rülpser galt wie zu Luthers Tagen als Ausdruck dafür, dass das Essen geschmeckt hatte.
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