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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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Langstreckenflieger IL 62 in die Staffel kam, erwies sich die Piste in Marxwalde als zu kurz. Deshalb flogen wir, wenn der große Vogel genommen wurde, ab Schönefeld.
    Dieser Flugzeugtyp, von dem die INTERFLUG nach meiner Erinnerung 15 Maschinen besaß, beförderte üblicherweise an die 180 Passagiere. Im umgebauten Regierungsflieger saßen beim Flug zur Krim nur Erich Honecker, sein persönlicher Begleiter Adelhart Winkler (oder sein Stellvertreter Frank Lompscher), die Ärztin – meist Prof. Dr. Helga Wittbrodt, die Leiterin des Regierungskrankenhauses, oder Dr. Hannelore Banaschak, Chefärztin für Anästhesie im Regierungskrankenhaus, seine Leibärztin – sowie der Steward, also ich.
    Bei einem der ersten Flüge passierte mir ein Malheur.
    Ich musste in der Pantry auch die Speisen zubereiten. Inzwischen waren die sogenannten Schnellkochtöpfe in Mode gekommen, und auch an Bord gehörten sie zur Ausstattung. In Wandlitz und auf Vilm benutzten wir traditionelles Kochgeschirr, ich kannte mich damit nicht aus. Dass in dem fest verschlossenen Behältnis Überdruck herrschte, wodurch die Kochzeit verkürzt wurde, merkte ich erst, als mir die Kartoffeln in zehntausend Meter Höhe um die Ohren flogen. Ich hatte den Deckel in Unkenntnis falsch geöffnet. Ersatzkleidung hatte ich nicht dabei, ich konnte mich also nur notdürftig von meiner Garnierung säubern. Das war jedoch kein Drama: Honeckers Augen studierten, wie üblich, nur die Akten und nicht meinen Anzug. Oder er unterhielt sich mit der Ärztin.
    Im Vorjahr, 1971, hatte erstmals der erste Mann der KPdSU und Führer des sozialistischen Lagers die Parteichefs der verbündeten Staaten zum Gespräch in sein Urlaubsdomizil bei Jalta geladen. Jene Begegnung wie auch die 1972 und 1973 fanden kollektiv statt. Dann pausierte Leonid Breshnew zwei Sommer lang. 1976 nahm er die Treffen wieder auf, diesmal jedoch erfolgten sie bilateral und unter Teilnahme eines Dolmetschers und des DDR-Botschafters.
    Diese Begegnungen schienen nach meiner Wahrnehmung ohne genaue Terminierung zu erfolgen. Nach unserer Landung in Simferopol wurden wir in einem dortigen Hotel einquartiert, Honecker fuhr an die Küste und kam unweit von Breshnews Sommerresidenz in einem Gästehaus unter – und wartete. Er konnte sich die Zeit mit Schwimmen, Filmvorführungen und Billardspielen vertreiben – die Ausstattung des Gästehauses war wie die in Wandlitz, aber da wie dort nahm Honecker keinen Queue in die Hand. In Wandlitz sah ich nie einen der etwa fünfzig Bewohner Billard spielen. Dort lochte nur das Personal ein.
    Erich Honecker wartete also geduldig in der Datscha, bis er von Breshnew empfangen wurde. Das konnte zwei bis drei Tage dauern. Nach dem Treffen ging es sofort zurück in die DDR zur Fortsetzung des Urlaubs auf Vilm. Offen gestanden: Ich fand diesen Umgang mit Honecker, immerhin Staats- und Parteichef, skandalös. Es war stillos und entwürdigend, ihn stets wie einen zufällig des Weges Kommenden warten zu lassen. Nach meiner Überzeugung handelte es sich nicht um Schlamperei von Breshnews Stab, der die Termine koordinierte, auch nicht um Übermittlungsfehler – so etwas passierte allenfalls ein Mal –, sondern das hatte Methode. Offenkundig wollte man ihm zeigen, wer hier das Sagen und wer sich anzustellen hatte. Erich Honecker nahm diese Demütigung schweigend hin. Auf dem Rückflug benahm er sich wie immer. Keine Unmutsbekundung, keine schlechte Laune, nichts. Er schluckte alles runter und verlor darüber kein böses Wort. Da war er loyal bis zur Selbstaufgabe.
    Ob diese persönlichen Begegnungen in Jalta politisch und menschlich tatsächlich etwas brachten, steht dahin. Die Wissenschaftler, die später die Protokolle auswerteten, stellen dies in Abrede. Im Wesentlichen habe es sich um zwei Monologe gehandelt, nicht um einen Dialog, kein entspanntes, in Urlaubsatmosphäre geführtes Gespräch zweier vermeintlich befreundeter Staatsmänner.
    Wie wurde ich Personenschützer?
    Auftraggemäß meldete ich mich Mitte Januar 1962 in der Hauptabteilung Personenschutz in Berlin. Ich fragte mich zu der Dienststelle in der Schnellerstraße in Treptow durch. Dort wurde ich zwei Tage unterwiesen, danach unterzeichnete ich eine Verpflichtungserklärung, die ich zuvor nach Diktat handschriftlich zu Papier gebracht hatte. Ich sollte fortan jederzeit und an jedem Ort meinem Staat DDR treu dienen, gegenüber jedermann über meine Arbeit Stillschweigen wahren (auch gegenüber den Eltern, dem
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