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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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auf meine berechtigte Vorhaltung schuldig. Man wolle nicht so sein, lenkte er schließlich ein, als müsste ich mich bei ihm entschuldigen und nicht umgekehrt.
    Am 17. Januar geht dein Zug nach Berlin, sagte er zum Abschied.
    Dann ging in der Tat alles sehr schnell. Das Hotel schloss mit mir eine Art Aufhebungsvertrag, gleichwohl sollte ich weiterhin als Mitarbeiter des Hotels »Chemnitzer Hof« geführt werden. Wer mein neuer Dienstherr sein würde, verriet spätestens die Adresse, bei der ich mich in Berlin melden sollte. Die befand sich in Treptow in der Schnellerstraße und war der Sitz der HA PS, was ausgeschrieben Hauptabteilung Personenschutz des Ministeriums für Staatssicherheit hieß.
    Meine Freundin reiste nach Bulgarien, sie war Teil eines Austauschprogramms von Köchen. Ich sollte nie wieder etwas von ihr hören. Und mit später erworbenem Wissen würde ich meinen, dass sie gewiss ohne eigenes Zutun auf jene Liste von DDRKöchen geraten war, die sich auf dem Balkan qualifizieren sollten. Es brach mir nicht das Herz. Es soll ja hin und wieder vorkommen, dass die erste Partnerschaft nicht bis zur Goldenen Hochzeit reicht.
    Den Anlass für die verordnete Quarantäne erfuhr ich erst im Nachgang. Meine Freundin war ein Adoptivkind. Ihre Ziehmutter hatte einen leiblichen Sohn, der jedoch in der Bundesrepublik lebte. Und dort wähnten die Genossen von der Sicherheit ein potenzielles Einfallstor, wenn ich denn einer der Ihren werden würde. Ich verstand das, ohne es gutzuheißen.
    Mit derlei Dingen war ich seinerzeit wenig vertraut. Erst später wurde mir bewusst, dass Geheimdienstarbeit mehr mit Regeln eiserner Logik und weniger mit menschlichem Anstand zu tun hat.
    Das sollte ich ein knappes Vierteljahrhundert selbst erfahren. Doch ich will nicht vorgreifen.

Honecker: die frühen Jahre
    Die Idee stammte von Jost Becker, ich fand sie reichlich bescheuert. Aber wenn der Leiter der Protokollabteilung beim Zentralkomitee Würste auf der Leine wollte, dann sollte er sie eben bekommen. EH machte Urlaub auf Vilm, und die Russen aus Wünsdorf hatten sich zum Besuch angesagt. Da musste es wieder mal was Ausgefallenes sein. Würste an der Wäscheleine – das war doch keine originelle Idee, das war zum Piepen. Ich musste unwillkürlich an Pieter Brueghels Schlaraffenland denken. Auf dem Gemälde hingen zwar keine Würste an der Leine, aber unter einer Tafel lagen drei vollgefressene, dickbäuchige Faulenzer und grunzten. Sie mussten nur den Mund öffnen, und schon landete alles in ihrem Schlund: Gebratenes und Gesottenes, auch Würste, und Wein floss aus einem umgestürzten Krug direkt in ihren Mund …
    Welchen Eindruck würden die Generäle der GSSD, der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, davon mitnehmen? Wir hatten die Tische auf die Terrasse gezogen und für fünfzehn Personen eingedeckt: verschiedene Brotsorten aus unserer Bäckerei in Wandlitz, Aufschnitt, Bouletten, Zwiebel, Gurke und Tomaten, Bier, Korn und Weinbrand, nichts Übertriebenes, einfach und rustikal. Wenn nur nicht diese albernen Würste und das Bund Zwiebeln mit Lauch wären, die den Gästen dann dauernd vor der Nase baumelten. Die Wurst kam aus Eberswalde, im dortigen Kombinat verstand man sich darauf. Der Chef zog Eberswalder jeder ungarischen Salami vor. Warum er die Wurst aus der Puszta nicht sonderlich schätzte, habe ich nie zu ergründen versucht: Sie kam jedenfalls bei ihm nicht auf den Tisch. Einzig Thüringer Wurst schätzte er noch mehr als die aus Eberswalde, was auch nicht verwunderlich war: In Thüringen machte man seit Menschengedenken die beste Wurst in ganz Deutschland. Lag’s am Wasser, an den Gewürzmischungen, am Holz im Rauchfang?
    Im Urlaub und auch sonst trank der Chef DAB aus der Büchse. Nur wenn Gäste kamen oder bei offiziellen Anlässen präferierte er Radeberger. Was er an dem Billig-Bier aus Dortmund mochte, noch dazu aus der Büchse, wussten die Götter. Aber es war halt eben so.
    Im Sommer machten Honeckers immer Urlaub auf der Insel Vilm. Das Eiland lag wie ein Wal vor der Insel Rügen: Der südliche Teil zog sich breit auseinander wie eine Schwanzflosse, und der obere Teil war massig wie ein Walkörper. Von Kopf bis Schwanz maß sie zweieinhalb Kilometer. Alles in allem bedeckte die Insel keinen Quadratkilometer, die höchste Erhebung ragte knapp vierzig Meter übers Wasser. Etwas Strand, etwas Steilküste, Buchen- und Eichenwald – und dazu elf reetgedeckte Häuser und eine Schiffsanlegestelle
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