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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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Weiterverwendung gewiss geklärt. Auch ihm schien die Sache unangenehm zu sein.
    Anfang Februar war es geklärt. Ich wurde in die Zentrale der Hauptabteilung Personenschutz, Abteilung IV – das war der Rückwärtige Dienst – nach Berlin-Weißensee versetzt. Es gab keine Verabschiedung in der Waldsiedlung, in der ich 23 Jahre gearbeitet hatte, kein Handschlag und kein anerkennendes Wort, nichts. Ich wurde einfach weggeschickt und kam am nächsten Tag nicht wieder. Gut, meine Erinnerungen konnte man mir nicht nehmen: Ich war mit dem ersten Mann des Staates in über 30 Ländern gewesen, hatte als Steward mehrere Millionen Kilometer zurückgelegt, hatte mich vom Gefreiten zum Hauptmann hochgedient und viele interessante Leute im Dienst getroffen. Das nahm ich mit.
    Aber mich begleitete noch immer die Frage:
    warum? Warum ließ man mich fallen wie eine heiße Kartoffel? Nur weil ich Honeckers blöde Töle vor die Tür hatte schicken wollen?
    Nach und nach fügte sich aus verschiedenen Nachrichtensplittern und Gerüchten aber ein Bild zusammen, das ich dann zu interpretieren verstand.
    Beate und ihre beiden Freundinnen hatten in der Mocca-Milch-Eisbar in der Karl-Marx-Allee drei Jungen kennengelernt. Die waren »von drüben«. Pünktlich um Mitternacht brachten sie die drei zum Tränenpalast in die Friedrichstraße. Im Unterschied zu den anderen beiden Familien hatten Herzogs einen Telefonanschluss. Die Teenager dachten sich nichts dabei und riefen anderentags von diesem Apparat in Westberlin an. Herrliche Einfalt! Jedes Telefonat in den Westteil der Stadt und in die Bundesrepublik wurde registriert, dafür sorgte die Spionageabwehr und die Funkaufklärung. Also registrierte man auch den Anruf von meiner Nummer, die erstens eine Art Dienstapparat war, zweitens war ich Angehöriger des MfS, und drittens zu allem Überfluss auch noch in unmittelbarer Nähe Honeckers eingesetzt. Halleluja! Da schrillten doch sofort, ohne dass ich dies wusste, bei der HA II und der HA III alle Alarmglocken.
    Ich glaube noch nicht einmal, dass Geheimnisverrat vermutet wurde, kein Verdacht der nachrichtendienstlichen Verbindungsaufnahme im Raum stand (das hätte andere Konsequenzen gezeigt als mich lediglich zu versetzen). Abwehrhirne deklinieren alle Optionen durch. Konnte die Westberliner sich nicht absichtsvoll an die Mädchen herangemacht haben? Waren die Mädchen Teil einer nachrichtendienstlichen Operation, die auf mich zielte? Ich war für westliche Dienste durchaus eine interessante Person. Wollte man Kompromate schaffen, mit denen ich erpresst werden konnte?
    Das würde auch erklären, weshalb mir meine eigenen Genossen nichts sagten. Sie warteten ab, was da kommen würde, und ließen mich warten und im Unklaren. Dieses Misstrauen, das in solchen Unternehmen steckte, richtete sich gegen alles und jeden. Auch gegen mich, der sich nie etwas hatte zu Schulden kommen lassen. Keine Bestrafung in so vielen Dienstjahren, nichts. Ich war Opfer einer tödlichen Berufskrankheit geworden.
    Ich meinte, es wäre Zeit, den Dienst zu quittieren.
    Inzwischen hatte man mich als Brigadeleiter eingesetzt, verantwortlich für acht junge Kellner und sechs Köche, die in zwei Klubgaststätten in Ledigenwohnheimen der Hauptabteilung Personenschutz arbeiteten. Sohn Peter hatte nach dem Abitur ein Studium an einer Offiziersschule in Löbau aufgenommen. Beate arbeitete als Kellnerin, und Marianne hatte eine sie ausfüllende Tätigkeit im Sport- und Erholungszentrum. Alles lief in geordneten Bahnen.
    Am 31. Dezember 1989 schied ich aus dem Dienst aus und arbeitete ab Neujahr wieder als ganz normaler Kellner im Palast der Republik. Naja, nicht als einfacher Kellner, als Oberkellner. Und zwar so lange, bis das Haus wegen angeblicher Asbestgefahr geschlossen werden musste. So wechselte ich als Oberkellner in ein anderes asbestverseuchtes Gebäude, das ICC im Westteil der Stadt. Dort blieb ich bis zum Rentenalter.
    Meinen prominentesten Chef habe ich nicht wieder gesehen. Ich hielt mich an die Order, Erich Honecker nie wieder unter die Augen zu treten.
    Zugegeben, so viele Möglichkeiten gab es dazu auch nicht mehr.
    Inzwischen bin ich Rentner wie meine Frau, die nach etlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereits 1995 in der Erwerbsunfähigkeit geschickt worden war. Unser Sohn Peter lebt in Chemnitz und arbeitet als Bauleiter für ein bayerisches Unternehmen, Tochter Beate ist in der Zentrale der Bahn am Potsdamer Platz im Gastronomiebereich tätig. Und wir haben
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