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Holy Shit

Holy Shit

Titel: Holy Shit
Autoren: Rolf-Bernhard Essig
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Gegenden der USA, wo sich Jugendliche im heftigen Schimpfwortstreit messen, statt Fäuste, Messer, Schusswaffen sprechen zu lassen.
    Nun gut, auch beim Fluchen sollte man gewisse Regeln beachten. Es macht einen Unterschied, ob ein Farbiger zu einem Farbigen »Nigger!« sagt oder ein Bleichgesicht. Mancher Mann wird Kraftausdrücke eher als derbe Lustigkeit nehmen, die manche Frau schon tödlich beleidigten. Ein harmloser Fluch hierzulande kann im Ausland ein extremes Tabu betreffen. Deshalb sind schlichte Listen mit fremdländischen Flüchen mit großer Vorsicht zu genießen. Natürlich faszinieren fremde Ausdrücke wie »Gift soll aus deiner Gurgel spritzen!« (Süditalien), aber man sollte schon wissen, welchen Stellenwert eine solche Aussage vor Ort hat, bevor man sich in Gefahr begibt. Ein einziges, hier unschuldiges Handzeichen kann in Nepal oder Ecuador üble Folgen haben.
    So wie man einander nicht in jedem Land zur Begrüßung die Hände schüttelt, so flucht man nicht überall gleich. Dass man seinem Ärger in Deutschland eher mit »Scheiße« und»Arschloch« Luft macht, in angelsächsischen Ländern mit »fuck« und »cocksucker«, im arabischen Raum mit Familienverwünschungen, Südländer oder Holländer mit religiösen Flüchen, stimmt im Groben und Ganzen, aber richtig interessant wird es im Detail.

    Deshalb widmet sich dieses Buch dem Ursprung des Fluchens aus der Magie, es schildert den Übergang zum Schimpfen und erklärt die Lust am Tabubruch, bei dem soziale, psychische und neuronale Faktoren zusammenspielen. Das führt natürlich zu nationalen, regionalen, geschlechtsspezifischen und persönlichen Eigenheiten, wie eindrucksvolle Beispiele belegen. Nicht immer versteht man jedoch gleich, was eigentlich gemeint ist, wenn jemand weiß der Geier was schimpft. Dass man im Dialekt schönste Derbheit mit sprachlicher Findigkeit des Fluchens verbindet, wird ein eigenes Thema sein, dazu die Entgleisungen der Politiker und die fantastischen Schimpfkanonaden aus Film, Theater und Literatur. Und selbstverständlich sollen Phänomene wie »shitstorms« im Internet und die kreativen Flüche der Jugendsprache eine Rolle spielen.
    Damit entlasse ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auch schon mit einer Erklärung des Kapiteltitels. Bei einer Lesung in einer Schule zum Thema »Redewendungen« erzählte mir ein Zehnjähriger, seine Oma verwende regelmäßig einen seltsamen Spruch: »Scheiß die Wand an! Morgen kommen die Maler.« Sie können sich das Gelächter der Mitschüler vorstellen. Ich fand es großartig, wie hier ein traditioneller Ausdruck weiterentwickelt worden war. Über den Ursprung der Redensart muss man nicht lange nachgrübeln, denn das Pinkeln gegen Wände kommt immer noch vor, wenn es auch unter Strafe gestellt ist; früher war es geradezu üblich. Es hinterlässt immerhin kaum Spuren, die Wand anzuscheißen hingegen schon, und deshalb kam es so gut wie nie vor. So eignet sich die Redensart dafür, Empörung oder Überraschung auszudrücken. Wenn morgen sowieso die Maler kommen, ist freilich alles nur halb so schlimm – wenn man kein Maler ist.
    PS Sollte Ihnen das Buch missfallen: Keine Angst! Sie könnten, um den Ihrer Meinung nach miserablen Afterpoeten – also mich – zu beschimpfen, aus dem folgenden Vorrat auswählen: Schmierfink, Buchkacker, Absatzknecht, Schriftstehler, Dreck(s)schreiber, Satzklempner, Tintenblut, Tüpfelscheißer, Federfuchser, Kommagärtner, Alphabetschaot, Misttipper, Wortwichser, Dooffloskler, Wortkotrührer, Papierirrer, Blattschwärzling, Geniesimulant, Faktenhuber, Drögist, Hupfdenker, Schmierant, Sinnhudler, Graphorrhoeiker, Kapitelschnorrer, Tastenquatscher, Ideenstapler, Denkstümper, Wirrwortler, elender Skribent!

2.

Verflucht in alle Ewigkeit:
    Über den magischen Ursprung der Schimpftiraden

Der Fluch trifft schneller als ein Pfeil, unauffälliger als eine Kugel, tödlich wie die Pest. Davon sind manche noch heute überzeugt. Ach, was heißt manche? Vielleicht glaubt mehr als die Hälfte der Menschheit an so etwas wie Schwarze Magie, Voodoo-Zauber und die Macht der Abwehrgesten. Es geht dabei nicht nur um harmlose Alltagsrituale, den Aberglauben aus Gewohnheit, so wie man dreimal auf Holz klopft. Hilfsmittel zum Verfluchen sind extrem weit verbreitet und lassen sich gut verkaufen. Wer in die Kleinanzeigen der Zeitungen sieht oder zwei, drei einschlägige Begriffe in eine Suchmaschine eingibt, wird schnell fündig in Sachen Fluchbedarf:
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