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Holy Shit

Holy Shit

Titel: Holy Shit
Autoren: Rolf-Bernhard Essig
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Speichel negative Energien, sogar Flüche von einem fernhalten könne. Man spuckte nicht nur vor, sondern auch gegen jemanden aus, um sich vor seinen bösen Worten und Mächten zu schützen. Am besten wiederum dreimal. Daraus entwickelte sich unser Glücksruf »Toi, toi, toi!«, denn spätestens im ausgehenden 19. Jahrhundert wollte kein Bürger mehr mit solchen abergläubischen und als eklig empfundenen Praktiken erwischt werden. Erst ahmte man das Spuckgeräusch nur noch nach, dann gab man den Geräuschsilben »Thh, thh, thh!« einen Klang, fertig war das »Toi, toi, toi!«.
    Dieser Brauch ist besonders in Schauspielerkreisen lebendig, die sowieso allerlei Aberglauben pflegen. So soll man sich für ein »Toi, toi, toi!« keinesfalls bedanken, weil es Unglück bringe, genauso wie persönlicher Schmuck auf der Bühne oder Pfeifen hinter den Kulissen.
    Auch blankziehen müssen Schauspieler manchmal, ob es ein Schwert ist, der Busen oder der Podex. Mit dem könnten sie ärgerlich fluchende Zuschauer nicht nur schockieren, sondern sich sogar vor deren Flüchen schützen. Die derbe Geste, die bis heute auf dem Fußballplatz, bei Demonstrationen, selbst im Straßenverkehr ab und zu auftaucht, ist sehr alt. Der entblößte Hintern bedeutete dabei nicht nur »Ich scheiß auf dich!«, sondern galt zudem als zauberkräftige Abwehrgeste. Schneller und weniger anstößig ging es mit der »Feige«, bei der man den Daumen in der Faust zwischen Zeige- und Mittelfingerherausschauen lässt. Auf vielen Flugblättern und nicht wenigen Bildern sieht man die Geste spätestens seit dem 16. Jahrhundert bei uns, wenngleich sie viel älter ist. Im antiken Rom benutzte man die »fica« oder »manus fica«, also »Feige« oder »Feigenhand«, als Glücks- und als Schutzgeste vor bösen Worten und Flüchen. Sie war und blieb so beliebt, dass man im hohen Mittelalter sogar geschnitzte Hände mit Fica als Anhänger trug, wobei besonders die aus dem Wallfahrtsort Santiago de Compostela begehrt waren. Ab und zu verknüpfte man die magische und die christliche Schutzwirkung, indem man am Gelenk der Fica-Hand sich eine Figur des Heiligen Jakob erheben ließ: ein Amulett mit Doppelschutzwirkung. Dass die »Feige« wie die meisten Gesten in unterschiedlichen Kontexten und Kulturen Unterschiedliches bedeutet, versteht sich. Ob damit jetzt »Fick dich!«, »Wollen wir ficken?« oder »Nein!« zum Ausdruck gebracht wird, das sollten Sie, liebe Leser, von Situation zu Situation entscheiden, und wenn Sie es nicht wissen, lieber auf die Geste verzichten.

    In Deutschland sieht man die »Feige« sehr selten. Der »Stinkefinger« hat ihre obszöne und beleidigende Botschaft seit den 60ern des letzten Jahrhunderts übernommen. Zur Fluchabwehr im abergläubischen Sinne taugt er allerdings nicht.
    Da muss man sich schon, wie zumindest viele Südländer meinen, an den Sack, die Hoden oder den Penis greifen, sofern man einen hat. Zieht in Neapel beispielsweise ein Trauerzug durch die Straßen, fassen sich Männer ohne Zögern zwischen die Beine, sobald der Sarg sich ihnen nähert, um alles Böse von sich fernzuhalten. Weniger anstößig für andere Kulturen ist da das Kreuzen der Finger, meist von Zeige- und Mittelfinger, oder die Gabelgeste mit Zeigefinger und kleinem Finger, die Horngabel, die weit älter ist als die Heavy-Metal-Fans vielleicht wissen, die sie gern zeigen. So sieht man sie schon auf etruskischen Gräbern. In Südeuropa kann sie einerseits bedeuten, dass man jemanden für ein Rindvieh hält, häufiger aber für einen Gehörnten oder Impotenten, dessen Frau anderswo Befriedigung findet, schließlich als Fluchabwehr, wobei es wiederum Varianten gibt. Beispielsweise kann man die Geste, um schlimme Flüche oder Bosheiten oder Unglück abzuwehren, mit beiden Händen vollführen und sie nach unten halten. Dass Satanisten und andere Teufelsfreunde sie als Zeichen ihres Herrn verstehen – ihr Problem.

3.

»Führerschein im Lotto gewonnen, du Blinkidiot?«
    Wie uns der Straßenverkehr auf 180 bringt

Autofahrer schimpfen über Radler, Fußgänger über beide und alle übereinander. Auf der freien Wildbahn der Straße entladen sich Frust und Wut besonders heftig und häufig. Wer Ampeln nicht beachtet, hört ein »Grüner wird’s nicht!«, »Farbenblinder Mistkrüppel!« oder »Der fährt bei Kirschgrün!«, wer andere bedrängt, wird mit »Halt Abstand, du mit deinem Kleinzipferl-Auto«, »Impotenzraser!« oder »Auspuffnuckler/-lutscher!« beschimpft,
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