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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig
Autoren: Nelly Arcan
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diesem Tag wird die Erde explodieren.
    Ich habe einmal zu dir gesagt, daß das, womit Frauen Männer anziehen, sehr wenig sein kann, ein Fetzen Satin zum Beispiel, aber auch ganz viel, man kann auch den Mond für sich reklamieren und die Natur verhöhnen, indem man ihre Grenzen nicht anerkennt. Im Internet ist das gut zu sehen, manche Frauen verdienen ihren Unterhalt damit, daß sie sich die Brüste vergrößern lassen, bis sie im Rollstuhl sitzen, aber auch in Afrika gibt es Frauen, die ihren Hals so lange mit Goldringen strecken, bis sie ihren Männern gerade in die Augen schauen können.
    Ich habe zu dir gesagt, Frauen suchen immer nach einem Ausgang aus ihrem Körper und betonen dessen Extremi-täten, bei Männern ist das viel einfacher, sie haben die Entladung.

    *

    Zu den Ereignissen, die unsere Beziehung kippen ließen, zählte auch ein Traum. Nach diesem Traum habe ich angefangen, Schlaftabletten zu nehmen, und die haben glücklicherweise auch meine Träume eingeschläfert. Ich wollte das, was ich in dieser Nacht erlebt hatte, auf keinen Fall noch einmal erleben, ich wollte nachts Frieden haben, ich wollte nichts mehr wissen. Mein Serax versetzte mich in eine schwarze Hypnose, die meine Gedanken in einen Abgrund hinunterzog, unter dem nur noch der Tod war. Meinem Serax verdanke ich die letzten glücklichen Momente, es gab mir eine Ruhe, aus der du ausgeschlossen warst.
    In dieser Nacht schlief ich in deinem Bett, du hast noch geschrieben, im Einschlafen hörte ich die Tasten klappern, es klang so, wie wenn meine Mutter Knoblauch hackte. Ich träumte, daß du dein Zimmer verläßt, um im Parc Lafontaine spazierenzugehen. Ich stand auf und ging an deinen Computer, um während deiner Abwesenheit deine Pornobilder zu betrachten. Es mußte ihnen doch anzusehen sein, daß du sie Tag für Tag dazu benutzt hast, um dein Gemächt auf die Münder zu richten, sie mußten doch Gebrauchsspuren zeigen und sogar ziemlich schmutzig sein. Meine Eingebung hatte mich nicht getro-gen, die meisten Fotos hatten Eselsohren, einige mehr als andere. Plötzlich wurde mir klar, daß die Fotos mit den Eselsohren Frauen zeigten, die du wirklich berührt hast und die davon gezeichnet waren. Die Fotos sagten alles, was es zu wissen gab, wie das Tarot meiner Tante, man mußte nur ihren unsichtbaren Teil aufsteigen lassen und sie in der richtigen Reihenfolge deuten; sie hatten eine direkte Verbindung mit dem Betrachter.
    Anfangs dachte ich, ich sehe sie mir in allen Einzelheiten an, als eine Art Therapie durch Gewöhnung. Das ist eine bekannte Methode bei Leuten, die an Phobien leiden, man begibt sich in Gefahr, um sich von der Angst zu heilen; manche nehmen sogar Spinnen in die Hand und lassen sie ungehindert den Arm bis zum Hals hinaufkrab-beln. Meistens funktioniert es nicht und wird nur noch schlimmer. Bei mir hat es auch nicht funktioniert, also wollte ich die Fotos vernichten, doch dein Computer hat sich sofort dagegen gewehrt, er hatte einen Überlebensin-stinkt. In seinem Inneren gab es ein Programm, das ihn gegen böse Absichten von Anwendern wappnete, indem es die Tasten desensibilisierte. Ich hackte in die Tasten, aber ohne Ergebnis, dein Computer hatte die Kontrolle übernommen. Ein anderes Programm nahm die alltäglichen Verrichtungen vorweg, es erlaubte dir morgens, die neuesten Meldungen zu überfliegen, während du die Hände frei hattest, um gleichzeitig Kaffee zu trinken und eine Zigarette zu rauchen, abends konntest du beidhändig wichsen.
    Auf dem Bildschirm erschien eine Adressenliste von Pornoseiten, die Frauennamen trugen. Alle möglichen Namen mit N und I tauchten da auf, Dutzende und Aber-dutzende quasi identischer Namen, an denen englische Wörter hingen, Black-Boots zum Beispiel, Fuck-meToes, Wild-Teens und LittleYoungSluts. Mein Name stand nicht in der Liste, und ich wußte auch, warum: Das System, das jeden Schwindel durchschaute, hatte meinen wahren Namen entdeckt, und der war nicht Nelly. Mein wahrer Name war blockiert, weil er nicht deinen Filter-kriterien entsprach, seine Phonetik verstopfte die Leitun-gen, weil deine Liebe sich nur an etwas festsetzen konnte, was nach Nannie klang. Hättest du mich an dem Abend im Nova unter meinem wahren Namen kennengelernt, hätten wir uns nie wieder gesehen.
    Dein Computer ging die Adressen mit großer Ge-schwindigkeit durch, der kleine weiße Cursor erschrak, durchsuchte alle Ecken des Bildschirms, wo sich Fenster mit nackten Frauen öffneten, aufgespießt von riesigen
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