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Höllenherz / Roman

Höllenherz / Roman

Titel: Höllenherz / Roman
Autoren: Sharon Ashwood
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Vampirkandidat Michael de Winter vorn. Sollte er gewinnen, wäre er der erste Nichtmenschliche, der in ein öffentliches Amt gewählt wird – ein Meilenstein auf dem Weg zu gleichen Rechten für übernatürliche Bürger.
    Viele schreiben den rasanten Fortschritt auf diesem Gebiet dem Fleiß und politischen Geschick von Königin Omara zu. Bedenkt man, dass die Existenz der Nichtmenschlichen bis zum Jahr 2000 ein Geheimnis war, stellt dies fürwahr eine große Errungenschaft dar, die ein neues Kapitel in der Geschichte der Beziehungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Arten einläutet.«
    Mittwoch, 19. Januar, 20 Uhr, Vollmond
Talias Wohnung
    Talia ging über den Saint-Andrews-Friedhof, wo die letzten Schneebrocken unter ihren Stiefeln knirschten. Der Kälteeinbruch war endlich vorbei, und sie hörte Wasserplätschern aus den Gullys in der Nähe. Ein schwerer Nebel, beinahe schon Nieselregen, hing in der Luft und tropfte von den Bäumen. Mondlicht verwandelte die Dunstschwaden zu gräulichen Schleiern, die den Friedhof einhüllten.
    An Michelles Grab blieb sie stehen. Es war eines von denen nahe dem Meer, klein und mit einem schlichten Granitstein. Talia legte den Lilienstrauß, den sie mitgebracht hatte, auf das Grab. Fast jede Nacht kam sie her.
    Hi, Michelle. Heute habe ich angefangen, deine Sachen einzupacken. Es ist nicht leicht, und ich möchte es auch gar nicht. Deine Mom lässt mich noch in der Wohnung bleiben, bis ich eine eigene gefunden habe. Ich weiß, dass du nicht mehr da bist, und trotzdem fühlt es sich an, als müsste ich mich noch einmal von dir verabschieden, wenn ich ausziehe.
    Talia schluckte. Eine Gruppe stand bei einem anderen Grab, einige Meter entfernt. Eine kleine Gestalt löste sich aus dem Pulk und kam herüber.
    »Talia Rostova?«
    »Ja?« Zögernd blickte Talia auf. Bei der Frau handelte es sich um einen weiblichen Vampir, sehr schön und mit einer majestätischen Ausstrahlung.
    »Ich bin Königin Omara.«
    Oh!
    Talia machte einen Knicks. »Majestät.«
    »Steh gerade, Kind! Ich wollte sowieso längst mit dir reden. Es dauert noch, bis ich zu meinem Kandidaten muss und die Wahlergebnisse höre. Hättest du einen Moment Zeit?« Es klang eigentlich nicht wie eine Frage.
    Talia holte zitternd Luft. »Wie Sie wünschen, Majestät.«
    Omara ging ein paar Schritte auf dem Weg, und Talia eilte ihr nach. Unsicher schritt sie neben der Königin her, während der Wind über ihnen in den Zedern wisperte.
    »Es gibt drei Dinge, über die ich mit dir sprechen muss«, fuhr die Königin fort. »Das erste ist, dass du einen Vampirmonarchen umgebracht hast. Darauf steht die Todesstrafe.«
    Erschrocken blieb Talia stehen.
    Omara lächelte verhalten, als würde sie Talias Entsetzen genießen. »Allerdings handelte es sich um Belenos, der mir nach dem Leben trachtete. Der Vampirrat hat beschlossen, die Tötung als Notwehr zu werten.«
    Talia fürchtete, dass sie jeden Moment in Ohnmacht fiel. Doch die Königin lief weiter, und sie musste ihr folgen.
    »Dein Freispruch kam mit einer Stimme Vorsprung zustande, also darfst du dich glücklich schätzen. Aber tu so etwas nie wieder!«
    »Er hat mich umgebracht, Majestät!«, rechtfertigte Talia sich.
Sie haben über mich geurteilt, ohne dass ich etwas wusste. Was wäre geschehen, wäre die Abstimmung anders ausgegangen?
    »Ich weiß«, entgegnete Omara. »Das wurde berücksichtigt. Der Rat bedauert, dass du gegen deinen Willen gewandelt wurdest. Es ist keine leichte Existenz, erst recht nicht, wenn man sie sich nicht ausgesucht hat.«
    »Darf ich sprechen, Ma’am?«
    »Natürlich.«
    »Ich wurde dazu erzogen, Monster zu hassen. Eines zu werden, hätte mich in den Wahnsinn oder zur Selbstzerstörung treiben sollen, mich zumindest böse machen müssen.«
    »Aber?«, fragte die Königin.
    »Stattdessen sehe ich heute viele Dinge und mich selbst mit anderen Augen. Ich will nicht behaupten, dass ich eine Vampirin sein wollte, hätte ich die Wahl, aber ich bin jetzt stärker, und das nicht bloß körperlich. Ich habe neu angefangen, denke darüber nach, woran ich wirklich glaube, und breche mit alten Mustern. Ich würde sagen, dass ich heute mehr Talia bin als zu den Zeiten, in denen ich eine lebendige Frau war.«
    »Dann darf ich dich beglückwünschen. Nicht jeder schafft es, sich auf diese Weise zu verwandeln.«
    Talia zögerte und lauschte auf die Wellen, die gegen die Klippen schlugen. »Die meisten Leute waren wohl vorher an einem besseren
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