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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
Autoren: Harald Evers
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Am schlimmsten
aber war, dass sie auch spüren konnte, wie mächtig das Leben in
ihm gepulst hatte, eine Kraft, die zweieinhalb Jahrtausende andauern konnte und dabei den härtesten Einflüssen einer erbarmungslosen Umgebung zu trotzen vermochte.
Erneut brandete eine Welle von Schmerz heran, diesmal geringer, von einem anderen Leviathan stammend, aber der Charakter
dieses Schmerzes, seine ureigenste Art und Weise, drohte Leandras Herz stillstehen zu lassen.
Ja! rief sie verzweifelt der Königin entgegen. Lass es gut sein,
ich habe es verstanden…
Als hätte die Königin Leandras Aufschrei tatsächlich vernommen, ebbte das Gefühl ab. Ihr Herzschlag, der regelrecht ins
Taumeln geraten war, beruhigte sich langsam wieder, wurde
gleichmäßiger. Nun sah sie nur noch die Bilder, spürte ganz
schwach, was an seelischem Schmerz damit verbunden war, von
dem körperlichen gar nicht zu reden, den sie sich lebhaft ausmalen konnte. Ein anderer Schwarm war in ihr Blickfeld geraten,
dann folgte ein weiterer und noch einer, immer schneller. Und
überall rasten die kleinen Objekte umher, schossen glitzernde
Funken auf die Leviathane ab, und jedes Mal, wenn sie trafen,
zuckte eine Ahnung dieses Schmerzes durch den Kosmos von
Leandras Gefühlen.
Der leidenschaftliche Wunsch brandete in ihr auf, dass jeder
dieser verlogenen Hüller, die ganz genau wussten, was sie den
Leviathanen antaten, diesen Schmerz nur ein einziges Mal selbst
spüren möge. Plötzlich wusste sie, dass die Behauptung, die Leviathane seien hirnlose und gefühllose Instinktwesen, nur eine
unfassbar gemeine und hinterhältige Lüge war, die man wissentlich und rücksichtslos zu einer Wahrheit erklärt hatte und die seit
Jahrtausenden Gültigkeit besaß. Nein, die Hüller erforschten nicht
die Leviathane und ihre möglicherweise doch vorhandenen Sinney
sondern sie beschäftigten sich damit, ihre dreckige Heuchelei zu
verschleiern. Vor Wut stiegen Leandra Tränen in die Augen. Dieses ganze verfluchte Sternenreich war ein Sumpf der Falschheit,
das sogar einen im Grunde anständigen Menschen wie Darius zu
einem Verrat verleitet hatte. Dass Griswold ab einem bestimmten
Punkt alle Freundschaft vergessen hatte, mochte sie ihm jetzt
nicht einmal mehr übel nehmen. Hier waren alle so.
Für die Hüller allerdings empfand sie plötzliche Abscheu. Es
mochte sein, dass der Verstand der Leviathane tatsächlich gering
und schwer nachzuweisen war, aber in ihren Herzen wussten diese Leute, was sie taten und dass da mehr war, als sie eingestehen wollten. Es war geradezu lächerlich zu behaupten, ein Leviathan fühle nichts, wenn man einem von ihnen auch nur einmal
auf hundert Meilen nahe gekommen war.
Dann, als Leandra, mit einem Herzen voller Zorn und Hilflosigkeit, zu ihren beiden Freunden zurückkehren wollte, streifte sie
eine letzte Empfindung – eine Botschaft der Königin. Und plötzlich
sah sie die Lösung. Eine Lösung, die dem sterbenden Volk der
Leviathane würde helfen können, die aber so gut und hilfreich
war, dass eigentlich keiner ihrer Peiniger sie verdient hatte.
*
    Auch Ullrik hatte seine Kleider verloren.
Den Augenblick, da er an einem unbekannten Ort ganz nackt
dastehen würde, hatte er aus seinem Denken verdrängt, aber
jetzt, da es geschehen war, fühlte er sich hilflos und schämte sich
selbst ein wenig vor Tirao. Den Drachen schien sein Anblick jedoch nicht im Mindesten zu kümmern. Unruhig sah Ullrik sich um,
mit den Augen auf der Suche nach etwas, womit er sich bedecken
konnte. Sie befanden sich am Ausgang eines riesenhaften Bauwerks; es war womöglich eine Pyramide wie die in Veldoor, aber
dies konnte unmöglich die Höhlenwelt sein. Sie waren nicht in die
Pyramide hineingelangt, sondern an einen ganz anderen Ort versetzt worden – in eine andere Welt.
Ullrik hatte die blaue Glaspyramide benutzt, die mit dem Fünfeck, weil Fünf seine Glückszahl war. Erst als sie in Veldoor vor
dem Ornament in der Portalhalle gestanden hatten, war ihm klar
geworden, dass Marina ihm gar nicht gesagt hatte, welche der
sechs Glaspyramiden von Azrani benutzt worden war. So hatten
er und Tirao es einfach auf gut Glück versuchen müssen.
Über den beiden erstreckte sich nun ein leuchtend blauer Himmel, es gab keinen einzigen Stützpfeiler, und so etwas wie ein
Felsenhimmel war nirgends zu entdecken. Das riesige Bauwerk,
dessen Größe und Form Ullrik von seinem Standort aus nicht
überblicken konnte, ragte auf einem grasbewachsenen Hügel
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