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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
Autoren: Harald Evers
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noch mehr Orte gab, wo man sie antreffen würde. Womöglich hielt der schwebende Felsen die
Schwärze fern von hier. Er schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Nein, eigentlich wirkte er nicht wie ein Beschützer. Eher wie ein
Bewacher.
Ullrik war unwohl zumute, was wohl auch daran lag, dass er
nicht den kleinsten Fetzen besaß, um sich zu bedecken. Glücklicherweise war es warm hier, sogar sehr warm. Dass er seine
Kleider verlieren würde, hatte er geahnt, aber eigentlich hatte er
zugleich auch erwartet, ersatzweise mit etwas anderem ausgestattet zu werden. Aber da war nichts. In der Halle des Bauwerks,
in der sie angekommen waren, hatte er nichts dergleichen entdecken können. Er hoffte, Marina und Azrani hier zu finden, aber am
meisten sehnte er sich im Augenblick nach einem Stück Stoff,
gleich welcher Art.
Dann entdeckte er etwas, das daraufhindeutete, dass sie nicht
allein an diesem Ort waren. Ullrik deutete ins Tal hinab und
machte Tirao darauf aufmerksam. Am Ufer des breiten, flachen
Stromes, der sich gemächlich durch das Tal wand, führte deutlich
erkennbar ein Weg entlang, ein Anzeichen dafür, dass diese Gegend bewohnt sein musste. Aber von wem? Konnte es hier Menschen geben oder Drachen? Oder… irgendetwas anderes? Die
Antwort erhielten sie wenig später.
Von links, ganz aus der Nähe, war plötzlich ein knarzendes Geräusch zu hören, dann ein Poltern. Ullrik erschrak, suchte nach
dem Ursprung des Geräuschs… und sah hinter einem der Felsen
ein seltsames Gefährt auftauchen. Es war so etwas wie ein Ochsenkarren, vor den ein ausgesprochen seltsames Tier gespannt
war. Ein Mann trottete nebenher. Gleich darauf entdeckte Ullrik,
dass sich der Fremde und sein Gefährt auf einem ausgetretenen
Pfad bewegten, der sich zwischen den Felsen hindurch an dem
Bauwerk vorbeischlängelte. Er schien hinab ins Tal zu dem Fluss
zu führen.
Ullriks erster Impuls war, sich in seiner Nacktheit zu verbergen.
Rasch trat er Schritte einige zurück, stieg über Tiraos seitlich liegenden Drachenschwanz hinweg und kauerte sich dahinter nieder.
Unschlüssig beobachtete er das Wesen, das den hölzernen,
zweirädrigen Wagen zog. Es handelte sich um einen großen Zweibeiner mit verkümmerten Ärmchen, aber kräftigen Hinterbeinen,
der stark vornübergebeugt dahertappte. Das Eigentümlichste an
ihm waren der Oberkörper und das Gesicht, beides wirkte wie von
einem Fisch, mit großen, glotzenden Augen und einem pumpenden Mund. Der Mann, der müde nebenher trottete, bärtig und
groß gewachsen, trug nur eine einfache kurze Hose und Schnürsandalen. Er schwitzte – dort in der Sonne musste es heiß sein –,
und die tief gebräunte Haut seines nackten Oberkörpers glänzte
bis zu Ullrik gewaltig herüber. Er wirkte wie einer, der gerade
eine anstrengende Arbeit hinter sich gebracht hatte und nun müde nach Hause schlurfte. Noch immer hatte er sie nicht erblickt.
Bis sie am Portalgang vorüber waren, dauerte es eine Weile.
Ullrik beobachtete den Fremden die ganze Zeit über aufmerksam. Plötzlich wandte das ulkige Fischwesen den Oberkörper und
stieß ein Zischen aus.
Der Mann sah herüber und erstarrte.
Ullrik war ebenfalls erstarrt, wusste nicht, was er tun sollte. Er
wusste nicht einmal, ob der Kerl ihn überhaupt sah; er schien
ganz allein zu Tirao aufzustarren, der groß und überschatteten
Portalgang kauerte, entfalteten Schwingen und sicher erregender
Anblick, sofern der Drachen gewöhnt war. Und das war er offenbar nicht.
Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem Ausdruck namenlosen Entsetzens, seine Augen wurden groß und rund, sein Kinn
klappte herab. Einen Augenblick später stieß er ein entsetztes
Kreischen aus, schrie zwei unverständliche Worte, zerrte dann am
Geschirr seines Zugtieres, offenbar in dem wilden Bestreben, sein
Heil in der Flucht zu suchen. In erstaunlicher Geschwindigkeit
hasteten die beiden den Weg vom Hügel hinab, in Richtung des
Tales, mit holperndem und polterndem Wagen, und waren bald
hinter der Wölbung des Hügels und den Felsen verschwunden.
Ullrik stand eine Weile wie erstarrt und sah dann zu Tirao auf,
der ebenso unbewegt an seinem Platz verharrt war.
»Wa-was war denn das?«, stotterte er.
Ein Mann, erklärte Tirao steif. Ein Mann mit einem Karren und
einem komischen Tier.
Ullrik starrte seinen Drachenfreund an.
Erklärlich, dass Tirao keine Furcht empfunden hatte; er schien
eher etwas beleidigt zu sein.
Ullrik sah in die Richtung, in die der Mann mit seinem Tier
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