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Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Titel: Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Autoren: Harald Evers
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wütend?«, fragte sie leise und blickte kurz auf.
    Leandra ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Diese Mistsoldaten haben sie schon wieder davongejagt.«
    Mutter nickte nur trübsinnig. Sie hatte sich in den letzten Monaten ein dickes Fell zugelegt. Zulegen müssen. Niemand in Angadoor war mehr richtig froh und jeder Einzelne hatte unter seinen Mitmenschen zu leiden.
    »So kann das nicht weitergehen!«, stellte Leandra fest.
    »Ich weiß, mein Herz«, sagte Mutter. »Das wissen wir alle. Nur - was können wir schon tun?«
    Leandra fuhr herum und rief: »Wenn Munuel jetzt hier wäre, dann ...«
    Sie verstummte und sackte wieder auf ihrem Stuhl zusammen.
    Munuel. Ja, Munuel, wenn der jetzt hier wäre! Sie hatte sich in all den Monaten noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen können, dass er tot war. Munuel, der Dorfmagier von Angadoor - er war ein Fels in der Brandung gewesen, ein Mann von unerhörter Ausstrahlung und auch von einer Macht, von der hier nie jemand auch nur etwas geahnt hatte. Er hätte diese Kerle da draußen binnen kürzester Zeit davongejagt.
    Nein - korrigierte sich Leandra. Inzwischen war ja die freie Ausübung von Magie in Akrania verboten. Das durften nur Männer, die dieser erschreckenden Duuma angehörten! Selbst wenn Munuel noch lebte, so wäre er nicht in der Lage, Eiwar, dem Korporal der Angadoorer Garnison, Respekt beizubringen. Nicht, wenn er nicht willens wäre, einen Krieg zu beginnen.
    »Wann kommt Vater?«, fragte Leandra. »Hatte der Gemeinderat heute Nachmittag nicht ein Treffen - mit dem Kommandanten der Garnison?«
    Mutter sah auf. »Vater war schon hier.«
    Sie sprach in mutlosem Tonfall, der darauf schließen ließ, dass wieder nichts erreicht worden war.
    Leandras Miene verfinstere sich. »Und?«, fragte sie.
    Mutter schüttelte den Kopf. »Nichts. Eiwar lässt sich auf nichts ein. Er sagt, er wäre dem Kommandanten des Nordbezirkes unterstellt und der würde sich auf keine Lockerung der Vorschriften einlassen.«
    Leandra wandte den Kopf und starrte an die Wand. »Verdammter Feigling!«, sagte sie - nicht eben leise.
    Mutter sah zu den Fenstern, als habe sie Angst, jemand habe sie von draußen belauschen können. »Leandra!«, zischte sie. »Du solltest vorsichtiger sein!«
    Leandra warf eine Hand in die Luft. »Es ist mir egal!«, rief sie wütend. »Sollen die Kerle doch kommen!«
    Mutter ließ ihr Stickwerk auf den Tisch sinken, stieß den Stuhl zurück und kniete sich vor Leandras Stuhl hin. Sie fasste ihre älteste Tochter an beiden Händen und blickte zu ihr auf. Tränen standen in ihren Augen. »Leandra!«, sagte sie verzweifelt. »Ich habe Angst um dich! Es war schlimm genug ... als du damals wiederkamst! Wir dachten alle, du würdest sterben! Bitte - so etwas darf nie wieder geschehen!«
    Leandra blickte in das angsterfüllte Gesicht ihrer Mutter. Sie war immer stolz darauf gewesen, eine Mutter zu haben, die trotz ihrer fünfundvierzig Jahre noch immer so hübsch und anziehend aussah wie um zehn Jahre jüngere Frauen. Aber auch Mutters Aussehen hatte sich geändert. Ihre Züge waren verhärmt vor Sorge um ihre Familie, und der Schock, den sie damals erlitten hatte, als ihre eigene Tochter auf einem Karren liegend und fast völlig bewegungsunfähig nach Angadoor zurückgebracht worden war, hatte sie beinahe ihre Gesundheit gekostet.
    Leandra beugte sich herab und umarmte sie. Mutter brach in bittere Tränen aus.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll«, schluchzte sie. »Vater wird von Tag zu Tag wütender, und ich fürchte, sie werden bald einen Aufstand machen. Sie werden die Soldaten angreifen - und nur die Kräfte wissen, was dann mit unserer Familie und unserem Dorf geschehen wird!«
    Leandra schloss die Augen. Etwas, das Munuel einmal gesagt hatte, kam ihr wieder in den Sinn. Er hatte mit leidenschaftlicher Anteilnahme das Recht angezweifelt, gegen jede Unterdrückung bedenkenlos ankämpfen zu dürfen - wenn das unausweichliche Ergebnis nur aus noch größerem Elend und aus Tod bestand. Er hatte gesagt, dass dann nur noch das Nichts übrig bleibe. Ein Leben in Unterdrückung jedoch beinhalte wenigstens immer noch die Hoffnung. Und die sei allemal besser als der Tod. Leandra war sich inzwischen nicht mehr sicher, ob er wirklich Recht gehabt hatte. Welche Hoffnung hatte Munuel gemeint? Die Hoffnung, dass sich alles von selbst wieder bessern würde?
    Das Leben in Großakrania, wie das Land jetzt wieder hieß, war fast unerträglich geworden. Der Hass der
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