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Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur

Titel: Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Autoren: Harald Evers
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Rechnung mit ihr offen hatte. In dem Brief stand genug, um sie als eines der sechs Mädchen bestimmen zu können, die damals bei diesem Guldor in Gefangenschaft gesessen hatten. Das würde so manches erklären. Sie tastete nach dem Brief, den sie der Tasche ihrer Jacke trug. Ja, er war noch da.
    In der Nähe war plötzlich ein leises Rascheln zu hören.
    Sie fuhr hoch, blickte sich um und schalt sich im selben Augenblick, dass sie so viel Zeit damit verplempert hatte, irgendwelche Überlegungen anzustellen, die ihr jetzt auch nicht weiterhalfen.
    Immerhin - hier, wo sie saß, war es stockfinster, und der Kerl, wenn da einer war, hätte zu ihr unter den Farn kriechen müssen, um sie zu entdecken.
    Und genau das tat er jetzt.
    Hellami hätte beinahe aufgeschrien - und das wäre das Aus gewesen. In ihrem Schreck tat sie das Einzige, was wirklich half - und dass es half, war auch nur ein Zufall. Sie warf sich mit vorschnellendem Dolch nach vorn und stach blindlings zu.
    Sie traf den Kerl. Sie wusste nicht, wo, aber er stieß ein Gurgeln aus, und da war sie schon unter dem Farn hervorgestürzt, taumelte zu Boden, rappelte sich wieder hoch und rannte los. Irgendwo stieß jemand einen Fluch aus, verhaltene Rufe waren zu hören, und dann sirrte irgendwas durch die Luft und klatschte, nicht weit von ihr, gegen einen Baumstamm.
    Hellami quietschte auf und rannte, so schnell ihre Füße sie nur tragen konnten.
    Ein weiteres Sirren erklang, und irgendetwas, möglicherweise ein Armbrustbolzen, pfiff erschreckend nah an ihrem rechten Oberschenkel vorbei. Sie meinte fast den Schmerz und den Schock spüren zu können - gerade so als hätte der Bolzen sie getroffen. Eine schreckliche Sekunde lang sah sie sich röchelnd zu Boden sinken - tödlich verletzt und ihre letzten, verzweifelten Atemzüge in die Stille des Waldes hinaushechelnd. Alles umsonst. Ihr kurzes Leben verspielt - außer einigen wenigen Höhepunkten. Die Vorstellung raubte ihr fast den Verstand. Während sie weiterhastete, fing sie verzweifelt an zu schluchzen. In wenigen Augenblicken konnte sie verloren sein. Dann würden sie sie töten.
    Die Angst verlieh ihr Flügel, und sie schaffte es, in eine Gruppe von jungen Bäumen hineinzuhasten, ohne von etwas getroffen zu werden, und damit erst einmal außer Sichtweite zu gelangen. Doch im nächsten Augenblick zischte ein halbes Dutzend Pfeile in die Bäume hinein. Sie ließ sich mit einem Aufschrei zu Boden fallen und kugelte sich wie ein Igel zusammen, den Kopf unter den Armen versteckt.
    Gleich darauf hörte sie einen trockenen Schlag und spürte einen Schmerz in der Fußsohle. Für den Augenblick jedoch wagte sie nicht, sich zu rühren. Weitere Pfeile pfiffen in die Bäume, aber wie durch ein Wunder traf sie keiner.
    »Habt ihr das Miststück?«, rief es von irgendwoher.
    »Ich glaube schon!« Die Stimme hatte erleichtert geklungen, so als wäre der Rufer sicher, sie nun endlich erledigt zu haben.
    Das brachte sie in Wut, in rasende Wut. Was für ein Dreckskerl war das, der ein wehrloses Mädchen nachts durch den Wald jagte und sich dann auch noch brüstete, sie getötet oder verwundet zu haben - ohne ihr auch nur einmal im Leben ins Gesicht geblickt zu haben? Sie bekam Lust, hier auf ihn zu warten und in dem Moment, da er sich über sie beugte, aufzuspringen und ihm die Augen auszukratzen.
    Aber die Vorstellung war dumm - immerhin erkannte sie das noch. Es ging um ihr Leben. Das Rauschen des Wassers war jetzt ganz deutlich zu vernehmen, und plötzlich sah sie durch einige Zweige direkt vor ihr das Wasser des Flusses heraufschimmern. Sie war nur noch ein paar Schritte entfernt - ja, dort ging es über eine felsige Kante direkt in die Morne hinab, nur wenige Armlängen von ihr entfernt.
    Sie sah ihren Ausweg. Einer Eingebung folgend, fing sie an zu stöhnen und zu wimmern und kroch vorwärts.
    »Hier!«, rief jemand. »Hier muss sie sein! Ich hab sie gehört! Los, her mit euch!«
    Hellami erreichte schon im nächsten Moment das felsige Ufer des Flusses und sah ins Wasser hinab, zehn oder zwölf Schritte unter ihr. Sie hatte einen Pfeil in der rechten Stiefelsohle stecken, aber Zeit, den herauszuziehen, war jetzt keine mehr. Es war auch keine Zeit, überhaupt über irgendetwas nachzudenken. Das Wasser dort unten mochte flach sein oder es konnten sich Felsen oder Äste unter der Wasseroberfläche befinden. Ein Sturz aus dieser Höhe würde leicht reichen, ihr den Schädel oder das Rückgrat zu brechen. Aber es war ihre
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