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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Autoren: Walter Kempowski
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Vorwort
    Als ich vor zwanzig Jahren am Echolot zu arbeiten begann, beschäftigten mich drei Bilder.
     
    Zunächst der «Turmbau zu Babel» von Breughel, jene Darstellung des konisch zulaufenden Turms, der vielbögig aufeinandergesetzten Spirale, die sich in die Wolken hineinschraubt und zu Gott hinaufdrängt, jener Turm, den Menschen bauten, um dem Allmächtigen gleich zu sein, den sie aber auch aus Sehnsucht aufrichteten, möglichst schon vor der Zeit zu ihm zu gelangen und sich in seinem Schoß zu bergen. Der Babylonische Turm stürzte ein, wir wissen es, und die Verwirrung, die sein Fall mit sich brachte, dauert an.
     
    Das zweite Bild war die «Alexanderschlacht» von Albrecht Altdorfer, jenes bekannte Gemälde, auf dem Tausende von Kriegern auszumachen sind, die einander umbringen. Menschen ohne Namen, Todgeweihte, längst vermodert und vergessen, und doch Männer, die Frau und Kind zu Hause sitzen hatten, deren Keime wir als Nachkommen in uns tragen.
     
    Das dritte Bild war die «Übergabe von Breda» des Spaniers Velázquez. Auf diesem Bild steht ein Sieger einem Besiegten gegenüber. Der siegreiche Feldherr hat dem Unterlegenen, der ihm demütig die Schlüssel der Stadt übergibt, nicht den Fuß in den Nacken gesetzt, sondern er neigt sich ihm gütig zu, ja, er hebt den sich beugenden Unterlegenen auß Dieses Bild wurde vor 360 Jahren gemalt, und bis heute wurde seine Botschaft nicht eingelöst.
    Heute, in den Tagen des Erinnerns, zwei Generationen nach Kriegsende, sind es andere Bilder, an die ich denken muß: Die Kamera schwenkt über das zerstörte Warschau, über die Leichenhaufen von Bergen-Belsen und über eine Gefängnismauer, die von Einschüssen gesprenkelt ist, und noch immer werden Massengräber geöffnet und Tote exhumiert. In Hiroshima läutet die Glocke.
     
    Ich erinnere mich in diesen Tagen auch an die stillen Trecks der Flüchtlinge, an die zurückhetzenden fliehenden deutschen Soldaten, rette sich wer kann! Und an die fröhlich heimziehenden Fremdarbeiter mit ihrennationalen Kokarden. Auch an den weinenden Kindersoldaten auf der Protze seines zerstörten Geschützes muß ich denken.
     
    Meine Eltern besaßen eine Tabakbüchse aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, sie stand auf dem Radio neben Judenbart und Schlangenkaktus, auf der war zu lesen:
     
    Es wechselt alles ab,
    Nach Krieg und Blutvergießen
    Laßt uns des Himmels Huld,
    Des Friedens Lust genießen.
     
    Nein, von «genießen» kann keine Rede sein. Unser Film ist zwar durchgelaufen, aber es liegen andere bereit, die wir alle noch sehen werden, wieder und wieder werden es Bilder von Krieg und Blutvergießen sein, ein Ende der Vorstellung ist nicht in Sicht: Die Hochhäuser brennen schon.
     
    An die Bilderbibel von Doré muß ich denken, die ich als Kind, auf dem Teppich liegend, durchblätterte, an die Sintflut: Die Wasser verlaufen sich, und auf den Klippen liegen die Leiber der Ertrunkenen ... Wir warten noch immer auf die Taube, die uns den Ölzweig bringt. Aber auf dem Bild von Doré spannt sich kein Regenbogen über den Toten.
     
    Walter Kempowski Nartum, Februar 2005

Frühlingsglaube
    Die linden Lüfte sind erwacht,
    Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
    Sie schaffen an allen Enden.
    O frischer Duft, o neuer Klang!
    Nun, armes Herze, sei nicht bang!
    Nun muß sich alles, alles wenden.
     
    Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
    Man weiß nicht, was noch werden mag,
    Das Blühen will nicht enden.
    Es blüht das fernste, tiefste Tal:
    Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
    Nun muß sich alles, alles wenden.
     
    Ludwig Uhland

<2059 Tage
Freitag, 20. April 1945
18 Tage>
    Den Feinden entfiel der Mut; denn sie
    merkten, daß dies Werk von Gott war.
    herrnhut
neh. 6,16
     
    Diesen hof ausfegen
    Deezen hoaf ous faygen
    Sweep this yard
    stars and stripes,
    daily german lesson
    Der Flugkapitän Hans Baur 1897–1993
(Berlin)
    Der letzte Geburtstag Hitlers verlief trübe und traurig. Zur Gratulation erschienen die Großadmirale Raeder und Dönitz, Himmler und Goebbels.
    Martin Bormann 1900–1945
Berlin
    Geburtstag des Führers
    Leider nicht gerade «Geburtstags-Lage»
    Abflug Vorauskommando nach Salzburg angeordnet.
    Dr. Theodor Morell 1886 –1948
Berlin/Reichskanzlei
    Strophantose, Betabion forte i. v. plus Harmin s.c. durch Dr. Stumpfegger machen lassen, da ich zu zittrig war.
    *
    Benito Mussolini 1883–1945
Mailand/Palazzo Monforte
    Interview
    Ich empfand und empfinde für Hitler die größte Hochachtung. Man muß
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