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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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nutzen, ohne sich die Finger dreckig zu machen. Er war mit dem Medaillon verschwunden, als der Mönch noch immer mit dem Kaufmann stritt und Anneke Dinge zu Ohren kamen, die ihr Bild von ihm und seinem Pakt mit dem Bösen bestätigten, egal was die Vermahner der Mennoniten predigten.
    Die Wut, die so lange schon in ihr brodelte, die Ohnmacht, seit sie denken konnte zusehen zu müssen, wie das Leben mit ihr spielte und sie vor sich hertrieb, wie auch immer die Winde wehten, war übermächtig geworden. Als der Mönch sich mit geballter Faust vom Siel zurückzog, den Wortsammler in den Arm nahm, durchfloss Anneke nur noch eine Farbe: tiefstes Rot.
    Die blutigen Laken, die schlaffe Hand ihrer Mutter, der Geruch des Baders und seiner Nässe und die der vielen anderen Männer waren zu einer einzigen Masse zusammengeflossen. Woher die Holzschaufel gekommen war, wusste Anneke nicht mehr. Sie dachte nur noch daran, wie frei sie sich gefühlt hatte, als das Holz auf dem Kopf des Kaufmannes niedergekracht, er zusammengesackt und ins Siel gerollt war. Mit einem Schlag verschwand der Mann aus ihrem Sichtfeld und tauchte in den Fluten des Schwarzen Bracks ab. Aber er war wiedergekommen, schon gleich am nächsten Morgen trieb er auf dem dunklen Wasser. Und seitdem verfolgte er sie.
    Der Mönch hatte in der Nacht alles gesehen, sie in den Arm genommen und nach Hause gebracht. Und er hatte geschwiegen. Anneke war sicher, dass er es weiter tun würde. Sie musste ihm die ganze Geschichte in ihrem Wahn entgegengeschrien haben. Oder hatte sie nur geflüstert? Anneke wusste es nicht mehr. Auch nicht, ob Friso van Heek da schon im Siel trieb oder alles vorher geschehen war.
    Nun stand sie am Fenster, die Arme um ihren dünnen Körper geschlungen, die Hände zu Fäusten geballt, und weinte. Warme, tröstende Tränen, dabei hielt sie den kleinen Kristall in der rechten Faust. Grieta hatte tatsächlich geglaubt, Anneke habe von dem Diebstahl nichts bemerkt. Wer aber in seinem Leben so sehr von allem beraubt wird, was einen Menschen ausmacht, der hat ein Gespür für Unehrlichkeiten, und so hatte sie der Duuvke sofort angesehen, was sie im Sinn hatte. Da Grieta von einfachem Gemüt war, war es ein Leichtes gewesen, die Eisträne gegen eine wertlose Perle auszutauschen. Mochte Grieta damit glücklich werden.
    In der linken Hand aber hielt Anneke die Kette, die ihr der Scharfrichter in die Hand gedrückt hatte, als Pfand und Druckmittel, weil er wie eine Gossenratte alles belauscht hatte. Nur deshalb war es möglich gewesen, in Kauf zu nehmen, dass der Wortsammler, das Kind, das ihr so sehr ans Herz gewachsen war, in Lebensgefahr geriet. Nur deshalb hatte sie Grieta zu Klaas Krommenga geschickt, damit der wusste, dass Hiske allein auf dem Weg war.
    Hiske war vermutlich lange tot, und Klaas Krommenga würde sie ebenfalls nicht wieder zu Gesicht bekommen. Er war bestimmt längst wieder auf dem Weg nach Jever. Als Mann, der seine Rache gehabt und gelebt hatte.
    Dass Garbrand weiter schwieg, für sie seinen Kopf hinhielt, sah sie als sicher an. Denn er fühlte sich schuldig. Er war alt, hatte vom Leben nicht mehr viel zu erwarten, und im Grunde hatte sie das getan, was er selbst am liebsten gemacht hätte, wenn er nicht so gottergeben gewesen wäre. Aber die Schuld, wie nah er davor gestanden hatte, einen Menschen zu töten, war ihr Schutz, den sie gern annahm, denn sie hatte genug erduldet.
    Garbrand wurde eben aus der Neustadt geführt, verschwand um die letzte Ecke. Anneke wunderte sich über den bitteren Geschmack, der sich wie Gift in ihrem Mund ausbreitete, als sie ihr Bündel schnürte, um zu verschwinden, denn eben war das Horn erklungen. Eine Kraweel hatte angelegt und würde das Siel sicher bald wieder verlassen.
    Jan Valkensteyn war verzweifelt. Er hatte gestern im Kerker mit Garbrand gesprochen, doch der schwieg. Kein Wort zu der Mordnacht, kein Wort zu dem, was man ihm vorwarf. Einzig die Anschuldigung, er habe etwas mit dem Verschwinden von Hiske zu tun, wies er mit letzter Entschiedenheit von sich.
    Jan war um Garbrand herumgeschlichen, hatte ihn angefleht, sich zu äußern. »Ich kenne dich so gut wie mich selbst, werter Freund. Ich weiß, dass du dem Alkohol gern zusprichst, dass du oft unüberlegte Dinge tust. Aber niemals würdest du einen Menschen töten, egal, was er dir in deinem Leben angetan hat!«
    »Lieber Valkensteyn, was weißt du schon von einer alten Seele wie mir, die besser vor vielen Jahren im Kloster von England mit
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