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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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mehr loswerden und sprach augenblicklich weiter. »Da war Hass im Spiel, es muss sehr viel vorgefallen sein, was den Papisten dazu veranlasst hat, einer anderen christlichen Kreatur ein solches Leid zuzufügen.«
    In Dudernixens Stimme klang etwas mit, das Krechting stutzig machte. Er hatte den Bader nie für einfühlsam gehalten, und so wirkte seine Art zu sprechen jetzt seltsam. »Ihr habt also aus dem Streit geschlossen, dass Garbrand Friso van Heek vor vielen Jahren in England schwer verletzt hat.«
    »In London, um genauer zu sein. Es war in London.«
    Hebrich schwieg, hatte den Meerkristall wieder in der Hand, drehte und wendete ihn. »Und weiter?«
    »Ich habe noch gesehen, wie die beiden aufeinander losgegangen sind, und bin dann abgehauen. Wollte dort nicht mit hineingezogen werden.«
    »Und zuvor habt Ihr den Kristall mitgehen lassen?«, fragte Krechting.
    Jetzt hielt der Bader kurz inne. Doch er schien sich zuvor alle Antworten auf die Fragen, die vorhersehbar waren, genau überlegt zu haben. »Ja, der Mönch hat ihm den vom Hals gerissen. Er lag im Dreck. Ich habe danach gegriffen. Wer hätte das an meiner Stelle nicht getan?«
    »Wer garantiert mir, Bader, dass Ihr dem Kaufmann nicht selbst die Holzschaufel über den Schädel gezogen habt?«, fragte Hebrich. Sie ließ Dudernixen nicht eine Sekunde aus den Augen.
    »Werte Herrin. Ich bin ein rechtschaffener Mennonit und lebe schon seit vielen Jahren unter Eurer Herrschaft. Nie habe ich mir auch nur das Geringste zuschulden kommen lassen.«
    »So will ich es Euch glauben. Aber«, Hebrich deutete mit dem Finger auf die Öse, durch die die Glieder einer Kette gelaufen sein mussten. Jetzt wurde der Bader zum ersten Mal unsicher. Krechting erkannte das an den heftig zitternden Augenlidern. Aber er fing sich wieder. »Es ging alles so schnell. Ich glaube, die Kette ist einfach herausgeglitten.«
    »Eine Frage bleibt aber doch noch offen, Bader!«, setzte Krechting an. »Warum kommt Ihr erst jetzt? Nach all der Zeit? Das ist mir unverständlich.«
    »Die Furcht, Krechting. Die Furcht vor Repressalien. Ich fürchtete, Ihr schenkt mir keinen Glauben, so wie ich auch jetzt das Misstrauen zwischen Euren Worten spüre. Und nun ist auch die Hebamme fort. Da konnte ich nicht mehr an mich halten, denn ich gehe davon aus, dass er auch dabei die Finger im Spiel hat, weil sie ihm auf die Schliche gekommen ist.«
    »Setzt Euch!«, befahl Hebrich und blickte zu Krechting, der ihr unmerklich zunickte und selbst wieder Platz nahm.
    Dudernixen rückte sich einen Stuhl zurecht, verschränkte die Hände ineinander, sodass sie knackten. Hebrich aber war noch immer mit dem Meerkristall beschäftigt. Sie knipste an dem Verschluss herum, bis er aufsprang. Die Witwe starrte auf den blauen Samt. »Hier fehlt etwas. Es ist leer! Lasst den Mönch verhaften!«
    Grieta quetschte sich an die Planken des Schiffes und hoffte, nicht entdeckt zu werden. Es war schwer genug gewesen, auf diesem Schiff einen Platz zu ergattern. Niemals hätte Anneke sie ziehen lassen und schon gar nicht mit dem wertvollen Schatz, den sie am Herzen trug. Es war ein seltsames Schmuckstück. Voller Geheimnisse und gleichzeitig vertraut. Grieta hätte gern gewusst, wer sich die Mühe gemacht hatte, die Eisträne aus einem Kristall herzustellen. Sie würde es sicher nie erfahren, denn dazu müsste sie die Geschichte kennen und nach dem, was sie sich zusammengereimt hatte, wäre einzig Friso van Heek dazu in der Lage gewesen, doch der schlummerte bereits den ewigen Schlaf.
    Grieta hatte die Kraweel bestiegen, die Bremen anlaufen sollte. Sie wusste nicht, wo Bremen lag, aber das war ihr auch egal. Hauptsache, weg von hier. Sie war fest davon überzeugt, in der neuen Stadt unterzukommen, eine Bleibe zu finden und eine Arbeit, von der sie leben konnte. Im Notfall würde sie auch dort als Hure arbeiten, es gab Schlimmeres. Grieta hörte die Wellen an die Planken schlagen. Wären keine Wolken am Himmel gewesen, hätte die Sonne hoch am Himmel gestanden, nun zeigte sie sich nur als heller weißer Ball, der hinter weißen Schlieren verborgen war.
    Grieta genoss die Weite, die ihr nach ihrer Zeit in der Herrlichkeit wie ein Segen vorkam. Sie, die kleine Duuvke, hatte ihr Leben endlich selbst in die Hand genommen. Sie war frei!
    Hiske war allein, mehr als alle Mäuse und Ratten um sie herum, die zumindest ihre Familien hatten. Die Fackel würde bald erlöschen, der leichte Feuerschein warf sich immer kleiner werdend gegen die
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