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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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den Wachen Hebrichs die Tür und hielt ihnen seine ausgestreckten Hände entgegen. Nun konnte ihm nur noch Gott helfen, wenn nicht hier, dann dort, wo er den zukünftigen Aufenthaltsort für seinen Diener vorgesehen hatte.
    »Ihr werdet beschuldigt, den Kaufmann Friso van Heek getötet zu haben. Und weil Euch die Hebamme Hiske Aalken im Weg war, habt Ihr auch sie beseitigt. Ihr werdet zunächst auf die Burg Gödens gebracht, wo dann entschieden wird, wie man weiter mit Euch verfährt!« Krechtings Stimme hatte weder die Kraft noch die Wortgewalt, die ihr sonst zu Eigen war, so als zweifle er selbst an dem, was er sagte.
    Garbrand wehrte sich nicht. Er senkte den Kopf und betete das Vaterunser.

Amsterdam 1535
    Der Bader lacht. »Nein, ich werde dich nicht heiraten. Ich habe schon ein junges Weib! Aber ich weiß, wovon du in Zukunft leben wirst, Anneke. So ist doch dein Name, oder?«
    Das Mädchen zuckt zurück. Der Bader hat recht.
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Wenn ich etwas tue, dann mache ich es richtig. Und ich schaue mir das Fleisch ganz gern an, das ich zwischen meinen Schenkeln habe. Ich kenne deine Mutter, sie hat die Beine ganz gern gespreizt für Männer wie mich, und wie ich sehe, hat sie diese Begabung ihrer Tochter vererbt.«
    Dem Mädchen wird der Hals trocken. Es schaut in die Augen des Baders, findet aber darin nicht das Blitzen des Mannes, der zuletzt bei der Mutter war. »Habt Ihr den Meerkristall?«, flüstert sie.
    Der Bader sieht sie mit verständnislosem Blick an, weiß nicht, wovon sie spricht. »Rede keinen Unsinn. Du kommst jetzt mit nach Ostfriesland und wirst mir ein paar Schap einbringen, weil du genau das tun wirst, was deine Mutter dich gelehrt hat.«
    »Ich geh nicht mit Euch«, japste Anneke. »Ich geh mit Amilia!«
    Der Bader lacht. Schäbig und grell. »Deine Amilia ist weg. Du hast doch das Klacken der Tür gehört. Warum, weiß ich nicht.« Wieder lacht er. »Oder weiß ich es doch?«
    Hinter ihm taucht eine Frau auf. Schön, rund gebaut und mit lautem Mundwerk. »Ich habe alles gesehen und gehört, Melchior. Du bist ein Bastard! Womit hast du Amilia gedroht? Jetzt komm nach Hause!«
    Der Bader dreht sich um und ohrfeigt sie. »Halt dein Schandmaul, Magda. Du bist mein Weib, und du tust, was ich dir sage. Immer. Bis zum Tod, und der kann schneller eintreten, als dir lieb ist! Amilia ist weg, und damit ist es gut.«
    Das Weib spuckt ihm vor die Füße und wendet sich ab. Anneke hört, dass sie sich übergibt.
    Amilia sieht sie nie wieder. Es ist, als habe es sie nur in ihrem Traum gegeben. Sie, die kleine Kate, die Kuh und die Ziege.
    Der Bader bringt oft Männer mit. Anneke lebt allein in der Kammer, weil sie bald gehen werden, und sie tut, was von ihr verlangt wird. Eines Tages ist auch der Mann mit den gefährlichen Bernsteinaugen dabei. Er trägt den Kristall und hat eine große Narbe am Arm. Er erkennt sie nicht, benutzt sie und merkt nicht den Hass, der in der kleinen Seele brodelt. Ein Hass, der aber kein Ventil findet, weil sie noch zu schwach ist, um sich zu wehren gegen die Erinnerungen, gegen die Gewalt, gegen das, was der Mann in ihr auslöst. Der Meerkristall schaukelt vor den Augen Annekes hin und her. Wie ein Versprechen, dass sie sich wiedersehen werden und dann der Zeitpunkt der Rache gekommen ist.
    Anneke schämt sich. Jeden Tag. Weil sie nun das tut, was ihre Mutter getan hat, als die Tücher vor dem Bett hingen.
    Bis sie eines Tages rot waren. Rot von Blut.

17. Kapitel
    Anneke sah, wie man Garbrand aus dem Haus schleifte, die Hände vor dem Körper zusammengebunden. Er war willenlos, hatte sich dem Schicksal völlig ergeben. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie den alten Mann so sah. Der Mann, der in der schicksalsschweren Nacht beschlossen hatte, ihr Schicksal zu dem Seinen zu machen. Er war mit Friso van Heek in Streit geraten, hatte ihm das Medaillon vom Hals gerissen, während sie die Eisträne in ihrer Rocktasche hütete als einzige Erinnerung an ihre Mutter, die der Bestie zum Opfer gefallen war. Sie war gekommen, um sich den Rest von dem zu holen, was ihr zustand, wozu sie in der Nacht, als er Lina mit seinem Samen getötet hatte, keinen Mut fand.
    Aber es war schiefgegangen. Dudernixen war außer sich vor Wut und war Friso gefolgt. Sie sah noch den Schatten, der sich, gepaart mit dem unverwechselbaren Duft der Seife, an das Geschehen herangepirscht hatte und genau das tat, was der Bader sein ganzes Leben lang getan hatte. Die Gunst der Stunde zu
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