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Himmelsgöttin

Himmelsgöttin

Titel: Himmelsgöttin
Autoren: Christopher Moore
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die Talkshows im Nachmittagsprogramm an. Sie saß auf einem Kaiserthron aus Weidengeflecht. An einem ihrer Zehen baumelte ein hochhackiger roter Lacklederschuh. Roter Lippenstift, rote Nägel und eine große rote Haarspange. Abgesehen von einem Paar Seidenstrümpfe mit Naht, war sie nackt. Auf dem Bildschirm: Meadow Malackovitch mit einer Stützkrause um den Hals, die sich schluchzend an der Schulter ihres Anwalts ausweinte. Eingeblendet in der rechten oberen Bildschirmecke ein Schnappschuß von dem Piloten, der für ihre Verletzungen verantwortlich war. Der Talkmaster, ein gescheiterter Wetteransager, der mittlerweile eine siebenstellige Summe im Jahr verdiente, indem er Wohnmobilsiedlungen nach menschlichen Abgründen durchforstete, verlas einen dubiosen Lebenslauf von Tucker Case. Fotos von dem pinkfarbenen Jet vor und nach dem Unglück. Archivmaterial von Mary Jean auf der Rollbahn eines Flugplatzes, gefolgt von Case in einer Lederjacke.
    Die Hohepriesterin berührte sich sanft und hinterließ auf ihren Schamhaaren einen schwach orangefarbenen Streifen, der von der Würzmischung auf den Chee-tos herrührte (ihre blonde Haarfarbe war echt), dann bediente sie die Gegensprechanlage, über die sie mit dem Medizinmann in Verbindung stand.
    »Was?« ertönte die Stimme eines Mannes, der zwar wach, aber alles andere als munter war. Es war zwei Uhr morgens. Der Medizinmann hatte die ganze Nacht gearbeitet.
    »Ich glaube, ich habe unseren Piloten gefunden«, sagte sie.
     

6
Wer sitzt am Steuer von diesem Lebenszeug?
     
    In letzter Minute änderte Mary Jean dann doch noch ihren Entschluß, Tucker in ihre Berghütte in den Rockies schaffen zu lassen. »Steckt ihn in ein Motelzimmer außerhalb der Stadt, und laßt ihn nicht eher raus, als bis ich es sage.«
    Die einzigen Personen, die Tucker für zwei Wochen zu Gesicht bekam, waren die Schwester, die regelmäßig vorbeikam, um seine Verbände zu wechseln, und sein Aufpasser. Dieser hieß Dusty Lemon, war eigentlich Tackle in der zweiten Defensivreihe der SMU und brachte bei einer Größe von einsachtundneunzig die geballte Masse von hundertvierzig Kilo christlicher Naivität auf die Waage.
    Tucker lag auf seinem Bett und schaute fern. Dusty saß über die Holzimitatplatte des Resopaltisches gebeugt und las die Heilige Schrift.
    Tucker sagte: »Dusty, warum holst du uns nicht ein Six-Pack und eine Pizza?«
    Dusty schaute nicht auf. Tuck sah seine Kopfhaut unter dem Bürstenhaarschnitt hindurchglänzen. Dann der schwere texanische Singsang: »Nein, Sir. Ich trinke nicht, und Mrs. Jean hat gesagt, Sie dürfen kein' Alkohol nicht haben.«
    »Es heißt nicht Mrs. Jean, du Dumpfbacke. Es heißt Mrs. Dobbins.« Nach zwei Wochen fing Dusty allmählich an, Tuck auf die Nerven zu gehen.
    »Macht auch nix«, sagte Dusty. »Ich kann Ihnen 'ne Pizza bestellen, aber kein Bier.«
    Tuck fiel auf, wie es zwischen den kurzgeschorenen Haaren rötlich aufzuschimmern begann. »Dusty?«
    »Ja, Sir?« Der Verteidiger schaute von seiner Bibel auf und wartete.
    »Leg dir einen richtigen Namen zu.«
    »Ja, Sir«, sagte Dusty, und plötzlich zog sich ein breites Grinsen über sein Mondgesicht. »Tuck.«
    Tucker wäre am liebsten aus dem Bett gesprungen und hätte Dusty seine Bibel um die Ohren geschlagen, aber an Springen war derzeit noch nicht im entferntesten zu denken. Also schaute er statt dessen eine Sekunde lang hinauf zur Decke (sie war ebenso wie die Wände, die Türen und die Kacheln im Badezimmer von einem fluoreszierenden Orange – wie die Baustellenabsperrungen auf den Highways), um sich anschließend auf einen Ellbogen aufzustützen und einen prüfenden Blick auf Dustys Bibel zu werfen. »Die roten Buchstaben. Sind das die scharfen Stellen?«
    »Die Worte Jesu«, sagte Dusty, ohne aufzublicken.
    » Wirklich? «
    Dusty nickte und hob den Kopf. »Möchten Sie, daß ich Ihnen vorlese? Als meine Grandma im Krankenhaus war, mochte sie es immer, wenn ich ihr aus der Schrift vorgelesen habe.«
    Tucker stieß einen Seufzer der Verzweiflung aus und ließ sich zurückfallen. Religion verstand er einfach nicht. Es war so ähnlich wie mit Heroin oder Golf: Er kannte eine Menge Leute, die sich damit abgaben, aber er verstand nicht, warum. Sein Vater schaute jeden Sonntag Sportübertragungen im Fernsehen an, und seine Mutter war im Immobiliengeschäft. Er wuchs auf in dem Glauben, daß die Kirche etwas war, das einen störenden Einfluß auf Spiele und Musterhausbesichtigungen hatte. Das erste Mal,
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