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Himmelsgöttin

Himmelsgöttin

Titel: Himmelsgöttin
Autoren: Christopher Moore
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umgibt.
    »Gott ist mein Leibwächter«, pflegte Mary Jean zu sagen.
    Sie trug eine vergoldete Lady Smith Automatik, Kaliber 38, in ihrer Handtasche: Es handelte sich um das Clara-Barton-Gedächtnis-Modell, das ihr die »Töchter der Konföderation« bei ihrem Pecan-Kuchen-Backwettbewerb überreicht hatten – ein Ereignis, daß alljährlich unter dem Motto »Lyncht Leroy« am Martin Luther King Jr. Day abgehalten wurde. (Sie stimmte zwar nicht mit ihren politischen Zielen überein, doch die Schönheiten des Südens waren, was den Verkauf von Make-up anging, alles andere als unfähig. Und wenn der Süden sich nicht wieder erhob, so lag es jedenfalls nicht an der fehlenden kosmetischen Grundlage.)
    Als sie heute durch die Türen der Haupthalle des Krankenhauses trat, war sie flankiert von einer blutrünstig wirkenden hochgewachsenen Frau in einem schwarzen Anzug, die einen harten Kontrast darstellte zu Mary Jeans eigenem Ensemble, das – Pumps und Handtasche eingeschlossen – ganz in Pastellblau gehalten war. »Stärke und Weiblichkeit schließen einander nicht aus, meine Damen.« Sie war fünfundsechzig – mütterlich, aber elegant. Ihr Make-up war schlichtweg perfekt, ohne auch nur eine Spur übertrieben zu wirken. Sie trug eine Brosche, die mit Diamanten und Saphiren besetzt und in etwa soviel wert war wie das Bruttosozialprodukt von Zaire.
    Jedem Pfleger und jeder Schwester schenkte sie ein Lächeln, erkundigte sich nach ihren Familien, dankte ihnen für ihre aufopferungsvolle Arbeit, flirtete, wenn es angebracht war, und verteilte im Vorbeigehen Komplimente, ohne auch nur ein einziges Mal aus dem Tritt zu geraten. Zurück blieb eine Schar völlig entrückter Fans, und selbst die Zyniker und Hartgesottenen unter den Angestellten des Krankenhauses konnten sich ihrem Charme teilweise nicht entziehen.
    Vor dem Zimmer von Tucker löste die blutrünstige Frau – eine Anwältin – die Formation auf und schüchterte den Rattenschwanz von Reportern derartig ein, daß Mary Jean unbehelligt an ihnen vorbeikam.
    Sie streckte den Kopf zur Tür herein. »Bist du wach, Sportskanone?«
    Tuck wurde durch den Klang ihrer Stimme jäh aus allen ohnehin überflüssigen Alp- und Wachträumen zum Thema Arbeitslosigkeit, Gefängnisstrafe und Impotenz gerissen. Am liebsten hätte er sich das Laken über den Kopf gezogen und wäre still gestorben.
    »Mary Jean.«
    Die Make-up-Magnatin trat neben sein Bett und griff erfüllt von Sorge und Anteilnahme nach seiner Hand. »Wie fühlst du dich?«
    Tucker vermied es, sie anzuschauen. »Ganz in Ordnung.«
    »Brauchst du irgendwas? Du weißt, wie wir in Texas sind – schwuppdiwupp, schon hast du's.«
    »Mir geht's gut«, sagte Tucker. In ihrer Gegenwart fühlte er sich jedesmal wie ein kleiner Junge, der bei seinem ersten Spiel in der Kinderliga rausgeflogen ist und jetzt mit Milch und Keksen getröstet wird. Angesichts der Tatsache, daß er einmal versucht hatte, sie zu verführen, kam er sich jetzt noch elender vor. »Jake hat mir erzählt, du willst mich nach Houston verlegen lassen. Das ist nett, danke.«
    »Ich muß dich im Auge behalten, oder etwa nicht?« Sie tätschelte seine Hand. »Bist du sicher, daß du in der Lage bist, dich zu unterhalten?«
    Tucker nickte. Er kaufte ihr die ganze Herzensgüte samt dazugehörigem Brimborium nicht ab. Er hatte im Flugzeug schon miterlebt, wie sie ihre Geschäfte machte.
    »Das ist prima, mein Lieber«, sagte Mary Jean, die sich nun aufrichtete und sich zum ersten Mal, seit sie das Zimmer betreten hatte, umschaute. »Ich werd dir ein paar Blumen kommen lassen. Mit ein bißchen Farbe wirkt das Ganze nicht mehr so trübe, oder? Außerdem duftet es dann auch ein wenig, der ständige Geruch von Desinfektionsmittel ist doch auf die Dauer bestimmt sehr störend.«
    »Ein wenig«, sagte Tuck.
    Sie wirbelte auf dem Absatz herum und schaute ihn an. Ihr Lächeln erstarrte. Zum ersten Mal sah Tuck Falten um ihre Mundwinkel. »Vermutlich erinnert es dich daran, was für ein totales Versagerarschloch du bist, oder?«
    Tuck mußte schwer schlucken. Sie hatte ihn kalt erwischt. »Es tut mir leid, Mary Jean. Ich …«
    Sie hob die Hand, und er hielt augenblicklich die Klappe. »Du weißt, daß ich nur ungern Zuflucht suche zu Flüchen und Feuerwaffen, also reiz mich nicht, Tucker. Eine Dame hat ihren Zorn unter Kontrolle.«
    »Feuerwaffen?«
    Mary Jean zog die Lady Smith Automatik aus ihrer Handtasche und richtete sie auf Tuckers in Mullverband eingepacktes
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