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Himmelsgöttin

Himmelsgöttin

Titel: Himmelsgöttin
Autoren: Christopher Moore
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Selbstmordtrieb.«
    »Aber Sie stehen natürlich weit über solchen Nagetieren«, sagte Tucker Case und grinste klugscheißermäßig. Er war dreißig, nicht ganz einsachtzig groß und hatte blaue Augen. Seine blonden Haare waren akkurat geschnitten, und er trug marineblaue Hosen, Turnschuhe und ein weißes Hemd mit Epauletten in Gold und Blau. Eigentlich galt sein Interesse weniger den Ausführungen des Geschäftsmannes als vielmehr dem Mädchen am Ende der Bar, doch er wußte nicht, wie er es bis dorthin schaffen sollte, ohne allzu offensichtlich zu wirken.
    »Nein, aber ich beschränke mein Lemming-Verhalten auf meine persönlichen Beziehungen. Drei Ehefrauen.« Der Geschäftsmann fuchtelte mit einem Cocktailspieß vor Tuckers Nase herum. »Um in Amerika Erfolg zu haben, braucht man weder ein besonderes Talent, noch muß man sich allzu große Mühe geben. Man muß nur seine Linie verfolgen und dabei keine Scheiße bauen. Und daran scheitern die meisten Leute. Sie werden mit dem Druck nicht fertig, daß sie wirklich kriegen könnten, was sie wollen, und wenn sie dann kurz davor sind und das Ziel ihrer Wünsche schon greifbar vor Augen haben, sehen sie zu, daß irgendwas schiefgeht, damit der Erfolg ihnen versagt bleibt.«
    Die Lemming-Predigt schlug Tucker allmählich auf den Magen. In den letzten vier Jahren hatte er sich mehr oder weniger herumgetrieben und sich mit Jobs als Barmann oder Pilot für Firmenjets über Wasser gehalten. Er sagte: »Vielleicht gibt es ja Leute, die gar nicht wissen, was sie wollen, und die deshalb nur so wirken wie Lemminge.«
    »Jeder weiß, was er will. Du weißt, was du willst, hab ich recht?«
    »Aber klar doch«, sagte Tucker. Was er just in diesem Moment wollte, war, dieser Unterhaltung zu entfliehen und sich dem Mädchen am Ende der Bar zu widmen, bevor der Laden hier dichtmachte. Seit fünf Minuten starrte sie ihn nun schon an.
    »Was?« Der Geschäftsmann wollte unbedingt eine Antwort. Er wartete.
    »Ich bin glücklich mit dem, was ich mache, und ich will, daß das so bleibt.«
    Der Geschäftsmann schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein Sohn, aber das kaufe ich dir nicht ab. Du gehst über die Klippe, genau wie all die anderen Lemminge.«
    »Sie sollten Motivationskurse abhalten«, sagte Tuck, dessen Aufmerksamkeit ganz auf das Mädchen gerichtet war, das nun aufstand, Geld auf den Tresen legte und ihre Zigaretten nahm, um sie in die Handtasche zu stecken.
    Sie sagte: »Ich weiß, was ich will.«
    Der Geschäftsmann drehte sich um und setzte sein bestes Geiler-aber-guter-Onkel-Lächeln auf. »Und was ist das, meine Süße?«
    Sie schritt auf Tucker zu und drückte ihm ihre Brüste an die Schulter. Sie hatte braune Haare, die ihr in Locken auf die Schultern fielen, blaue Augen und eine Nase, die ein wenig schief war, aber nicht so, daß es dramatisch gewesen wäre. Aus der Nähe wirkte sie, als sei sie noch nicht einmal alt genug, um Alkohol zu trinken. Es war das dicke Make-up, das sie aus der Entfernung wesentlich älter hatte aussehen lassen. Sie schaute dem Geschäftsmann in die Augen, gerade so, als sei Tucker überhaupt nicht da, und sagte: »Ich will dem Mile-High-Club beitreten, und zwar noch heute nacht. Können Sie mir da helfen?«
    Der Geschäftsmann schaute auf Tuckers Pilotenmütze, die auf der Bar lag, und ließ dann seinen Blick wieder zurückwandern zu dem Mädchen. Geschlagen schüttelte er den Kopf.
    Sie preßte sich fester gegen Tuckers Schulter. »Und wie steht's mit Ihnen?«
    Tucker grinste den Geschäftsmann an und zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Ich will einfach nur mit dem weitermachen, was ich tue.«
    Das Mädchen setzte sich die Pilotenmütze auf und zog Tucker von seinem Barhocker. Er griff in seine Hosentaschen und suchte nach Geld, während sie ihn zum Ausgang schleppte.
    Der Geschäftsmann hob die Hand. »Die Drinks gehen auf mich, mein Sohn. Denk du einfach nur daran, was ich gesagt habe.«
    »Danke«, sagte Tucker.
    Draußen in der Hotelhalle sagte das Mädchen: »Ich heiße Meadow.« Sie hielt den Blick nach vorn gerichtet, während sie mit kurzen Schritten voranmarschierte, gerade so, als ob sie zu einem Antiterroreinsatz unterwegs sei und nicht zu einem amourösen Abenteuer.
    »Hübscher Name«, sagte Tucker. »Ich bin Tucker Case. Aber die Leute nennen mich Tuck.«
    Noch immer schaute sie nicht hoch. »Hast du ein Flugzeug, Tuck?«
    »Zumindest habe ich Zugang zu einem.« Er lächelte. Das hier war einfach großartig.
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