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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer
Autoren: Berte Bratt
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Was alles geschehen kann, wenn es Schinken und Eier zum Frühstück gibt
 
    Hätten wir am Sonntag, dem einundzwanzigsten August, nicht Spiegeleier und Schinken zum Frühstück gehabt, wären nicht fünf fettige Teller und eine Bratpfanne extra abzuwaschen gewesen. Hätte ich nicht diese fünf Teller abzuspülen gehabt, wäre ich mit dem Abwaschen fünf Minuten früher fertig gewesen. Wäre ich fünf Minuten früher fertig geworden, hätte ich das Haus verlassen, und dann wäre niemand dagewesen, der ans Telefon ging. Hätte niemand den Telefonhörer aufgenommen, wäre Tante Agnete an diesem Vormittag nicht zu Besuch gekommen. Und wäre Tante Agnete nicht zu Besuch gekommen, dann hätte mein Leben einen ganz, ganz anderen Verlauf genommen.
    Oh, wieviel Merkwürdiges kann doch passieren, nur weil es Eier und Schinken zum Frühstück gegeben hat!
     
    *
     
    Esther war mit dem Rad losgefahren, um zu baden, und Tor, um sich ein Fußballspiel anzusehen, und die Eltern machten ihren Sonntagsvormittagsspaziergang, um beschaulich schlendernd den Sonnenschein zu genießen. Nur ich stand allein vor dem fettigen Abwasch und kratzte Eierreste von den Tellern. Sobald ich mit der Arbeit fertig war, wollte ich fortgehen und Nora abholen, denn wir hatten ebenfalls vor zu schwimmen.
    In unserem Hause kommt es gar nicht in Betracht, gebrauchtes Geschirr einfach beiseite zu stellen. Und da ich nun einmal übernommen hatte, die Hausarbeit zu machen und dafür auch den entsprechenden Lohn bekam, konnte ich mich um das Spülen nicht drücken, selbst wenn die Sonne noch so strahlend schien, zumal heute nicht mein freier Sonntag war.
    Aber auch der fettigste Abwasch wird mit der Zeit einmal fertig. Ich hatte gerade meine langen Hosen und den quergestreiften Pullover angezogen und die Türklinke bereits in der Hand, da klingelte das Telefon. Jetzt hat die Nora die Geduld verloren, dachte ich und griff zum Hörer.
    Es war nicht Nora, sondern eine ganz unbekannte Männerstimme: „Ist dort bei Rektor Björk?“
    „Ja!“
    „Hotel Bristol! Ich verbinde weiter.“
    Pause.
    Es knackte im Apparat, ein Zeichen, daß umgeschaltet wurde. So hatte ich Zeit, mir darüber klarzuwerden, daß es Tante Agnete sein mußte, die einzige Millionärin der Familie, übrigens nicht meine wirkliche Tante, sondern eine angeheiratete Tante meines Vaters. Sie mußte also in unserer Stadt sein. Jedenfalls kannten wir sonst niemanden, der im Bristol abzusteigen pflegte.
    Endlich meldete sie sich am anderen Ende der Leitung: „Wer ist da?“
    Wenn eine Millionärstante am Telefon unhöflich ist, sagt man natürlich nicht, was man denkt, sondern man lächelt artig in die Sprechmuschel und antwortet wohlerzogen. „Hier ist Unni! Guten Tag, Tante Agnete! Willkommen in unserer Stadt!“
    „Danke! Sind deine Eltern zu Hause?“
    „Im Augenblick nicht, liebe Tante, aber sie werden bald heimkommen.“
    „Ich reise heute abend ab, da wollte ich nachher mal auf einen Sprung zu euch hinauskommen, um euch guten Tag zu sagen.“
    „Das ist ganz reizend von dir, Tante Agnete!“
    Ach, du lieber Himmel, und ausgerechnet gestern abend hatte Tor die letzten fünf Makronen stibitzt!
    „Geht es euch gut?“
    „Ja, danke, uns geht es sehr gut. Und dir, Tante Agnete?“
    Sie sagte, sie käme gerade aus einem ausländischen Badeort, den sie wegen ihres Rheumas aufgesucht habe. Zwei Tage war sie dann noch in Oslo gewesen, und bevor sie heimreiste, wollte sie uns also mit ihrem Besuch beehren.
    Ich fand schlechterdings keine Zeit mehr, Nora anzurufen und ihr abzusagen. In voller Fahrt und noch ehe ich mir eine Schürze vorgebunden hatte, machte ich mich daran, Mürbeteigkekse zu backen. Zu ihrer Veredlung nahm ich respektlos von Mutters geheiligter Erdbeermarmelade. Ich machte rasch Wasser warm, um den Staub aus den chinesischen Tassen zu waschen, die seit Esthers Konfirmation nicht mehr gebraucht worden waren. Unser Haus zeichnet sich nämlich nicht gerade durch übertriebene Geselligkeit aus. Wir gewöhnen es uns nie ab, in Panik zu verfallen, wenn wir Gäste erwarten.
    In Windeseile riß ich Tischtuch und Servietten heraus, und während ich mit der einen Hand den Tisch deckte, wischte ich mit der anderen – mit Hilfe eines Taschentuches – den Staub von der Nußbaumanrichte. Auf dem Weg durch die Diele ließ ich Esthers Gummi- und Tors Wanderstiefel samt vier oder fünf Kleidungsstücken verschwinden, um Platz zu schaffen für Tante Agnetes Modellmantel. Und währenddessen
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