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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition)
Autoren: Brigitte Glaser
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aberwitzigem Tempo zwischen
den Hallen hin und her, in den Rinnsteinen verfaulten aussortierte Salatköpfe,
den Straßenbelag pflasterten platt gefahrene Tomaten.
    In der großen
Markthalle eilte ich an Bergen von Rhabarber und Spitzkohl und an meterhohen
Paletten mit Erdbeeren vorbei. Immer wieder musste ich einer der wendigen
Eidechsen ausweichen, mit denen in den Hallen die Waren hin und her
transportiert wurden. Das geschäftige Treiben täuschte nicht über die leeren
Marktstände hinweg, die sich in den Hallen schleichend vermehrten. Dicke
Geschäfte wurden hier schon lange nicht mehr getätigt. Die Discounter machten
ihre Deals bei den großen Versteigerungen in Straelen oder Venlo, die kauften
nicht mehr hier ein. Die Großmarkthändler lebten mehr schlecht als recht von
den Wochenmarkthändlern und Restaurants, doch immer mehr von ihnen gaben auf.
    Mein erster Weg
führte mich zur Imbissbude in der großen Halle. Ohne einen Kaffee im Bauch würde
ich nicht gut handeln können. Früher hatte ich den Kaffee oben auf der Galerie
getrunken, als es das Großmarktrestaurant noch gab, durch dessen breite
Fensterfront man das Treiben in der Markthalle verfolgen konnte.
    Was war das für
ein Lärm und für ein Gewusel gewesen! Großmarkthändler und ihre Kunden hatten
sich dort mit den Nachtschwärmern der Stadt gemischt. Lange Zeit war die
Galerie der einzige Ort in Köln gewesen, wo man morgens um fünf ein paniertes
Kotelett essen konnte. Der Ort, wo gleichzeitig Geschäfte gemacht und ein
Junggesellenausstand gefeiert wurden, wo man sich über Preise stritt oder einen
philosophischen Disput zu Ende führte, weil die Bars an der Zülpicher schon
geschlossen hatten. Tabak-, alkohol- und kaffeegeschwängert die Luft, lärmend
und bunt das Publikum, fett und schwer die Koteletts, die Serviererinnen mit
allen Wassern gewaschen und nie um eine Antwort verlegen. So war es gewesen,
das Leben im Bauch der Stadt!
    Leider war die
Galerie schon seit einigen Jahren dicht, der Betrieb so wenig rentabel wie die
Markthalle, alles dem Untergang preisgegeben. Discounter und Supermarktketten
waren die neuen Herrscher im Geschäft mit Lebensmitteln. Sie bestimmten Preise
und Waren, schrumpften sich das Sortiment passend. Blumenkohl ja, Rübstiel
nein, nur drei Sorten Äpfel und höchstens zwei Sorten Kartoffeln, Erdbeeren en
masse, dafür kaum Schwarze Johannisbeeren …
    »Lilienwirtin, ich
han 'ne Sparjel, sujet Feines hatt ich ald lang nit mih, dat wör wat för Ech!«
    Kurt Berger war zu
mir an den Stehtisch getreten und orderte ebenfalls einen Kaffee. Ich schätzte
den alten Mann nicht nur wegen seines guten Gemüses. Im Gegensatz zu anderen
Händlern hatte er in meinen schlechten Zeiten nicht mit den Rechnungen
gedrängelt, sondern auch mal vier Wochen gewartet, bis ich sie bezahlen konnte.
    »Guck ich mir
gleich an«, antwortete ich. »Muss noch ein bisschen wacher werden, sonst haut
Ihr mich übers Ohr. Im Gegensatz zu Euch war ich heute Nacht noch gar nicht im
Bett.«
    »Geschlossene
Gesellschaft bis in die Puppen, oder wat?«
    »Catering im LVR -Turm.« Ich rollte mit den Augen.
    Berger nickte
verständnisvoll. »Ihr müsst och ens lure, wo Ihr blievd. Die Lück han et Jeld
nimmer lockersitzen, die kaufen eher bei Aldi 'n Fertiggericht, als dat se mal
jot esse jonn. Jetzt hann ald widder zwei Restaurants dichtjemat in Köln.
›Himmel auf Erden‹ un ›Pfeffer & Salz‹. Toplagen im Belgischen Viertel und
in der Südstadt, trotzdem pleite. Und wisst Ihr, wat da jetzt is?
›All-inclusive‹, dat is so wat Neumodisches, so 'ne Art schicker McDonald's!
Ja, wat bei uns ald lang esu es, fäng bei üch jetzt och an. Dat die Jroßen die
Kleinen plattmachen.«
    »Jetzt malt mal
den Teufel nicht an die Wand!« Ich drückte den leeren Pappbecher zusammen und
warf ihn in den Müll. Es wurde Zeit, dass ich meine Einkäufe erledigte.
    »Jläuvt et mir,
ich dät mich freue wie 'ne Schneekönig, wenn ich mich irre dät. Verjesst dä
Sparjel nit!«, rief er mir hinterher.
    Aber zuerst lief
ich zu Signore Coldini, um zu sehen, was er an frischen italienischen Kräutern
im Sortiment hatte und ob es die herrlichen Ochsenherztomaten schon gab. Gab es
noch nicht, dafür wilden grünen Spargel, Kräutersalat, frische Zuckerschoten,
jungen Spinat, bildschöne Kräuterseitlinge.
    »Perfetto,
signora …« Die behutsame Bewegung, mit der er einen der Pilze aus der Kiste nahm, diesen
dann drehte und wendete, als wäre er ein roher Edelstein, die
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