Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition)
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
dem Geschirr. Ich setzte die Teller danach in den Spülkorb und
startete die Maschine. Ein paar Minuten später hieß es ausräumen, neu laden und
immer wieder ausräumen, neu laden. Als eingespieltes Team kamen wir gut voran.
    Was für ein Glück,
dass ich vor Jahren, als ich bei Spielmann im »Goldenen Ochsen« arbeitete und
ein Zimmer suchte, bei Adela gelandet war! Eine Freundin wie sie findet man
nicht alle Tage. Nicht nur, weil sie, mitten in der Nacht und ohne einen Cent
dafür zu verlangen, mit mir dreckiges Geschirr spülte. Die nächste Spülmaschine
ratterte. Noch einmal raus zum Auto die restlichen Teller holen, dann hatten
wir es geschafft. Aber dem war nicht so.
    Wahrscheinlich
hält jeder einen Moment inne, wenn ihn der kalte Hauch des Todes streift. So
auch wir, als wir in dieser Nacht einen Leichenwagen von der Mülheimer Freiheit
kommend ganz langsam auf uns zurollen und direkt hinter dem Transporter
anhalten sahen. »Bestattungshaus Maus« stand in goldenen Buchstaben auf dem schwarzen
Autolack.
    »Ein Cadillac
Fleetwood, Baujahr 1966«, murmelte Adela, »wunderschönes Auto.«
    »Irmchen Pütz oder
Egon Mombauer«, murmelte ich und ging rüber zum Altenheim, um von dort aus
einen Blick auf unser Haus zu werfen. Sowohl bei Irmchen Pütz als auch ganz
oben bei Mombauer brannte morgens um halb drei Licht. Kein gutes Zeichen. Aber
ein wenig hoffte ich immer noch, dass ich mich irrte.
    »Mein Beileid«,
sagte der Bestatter und gab Adela die Hand. »Wo müssen wir hin?«
    »Da fragen Sie
mich zu viel.« Adela sah zu mir herüber.
    »Sie haben uns gar
nicht angerufen?«
    Während wir stumm
verneinten, hinkte Irmchen Pütz in einem altmodisch geblümten Morgenmantel mit
ihrem Stock auf die Straße. Das Blümchenmuster passte genauso wenig zu der
schrumpeligen kleinen Frau wie zum Leichenwagen.
    »Mombauer, zweite
Etage«, piepste sie aufgeregt und deutete mit dem Stock nach oben. »Der Notarzt
ist noch da.«
    Der Bestatter gab
sein Beileid nun an Irmchen weiter, aber die schüttelte den Kopf, schließlich
war sie mit Mombauer weder verwandt noch verschwägert. Daraufhin machte Herr
Maus, wenn er denn so hieß, seinem Kollegen im Auto ein Zeichen, gemeinsam
hoben sie einen Sarg aus dem Wagen, ließen sich von mir die Haustür aufhalten
und balancierten die sperrige Kiste durchs Treppenhaus.
    Mombauer! Das war
nicht gut, gar nicht gut. Noch vor zwei Tagen hatte er so gesund und munter
gewirkt, wie halt ein Achtzigjähriger gesund und munter wirken konnte. Zäh und
dickköpfig noch dazu.
    »Es hat ganz
fürchterlich gerumst!« Irmchen Pütz hinkte auf mich zu. Es erleichterte sie
sichtlich, ein vertrautes Gesicht zu sehen und endlich alles erzählen zu
können. »So laut, dass ich aufgewacht bin. Danach totale Stille, hab schon
gezweifelt, ob ich wirklich was gehört habe, aber dann habe ich gedacht, besser,
du siehst nach.« Irmchen schnaufte, während ich sie mit sanftem Druck in
Richtung Restaurant und Küche dirigierte, gefolgt von Adela mit einer Kiste
Dreckstellern in den Händen. Ich setzte Irmchen auf einen Küchenhocker, Adela
schob die Teller in die Maschine und setzte Teewasser auf. »Tee hilft immer«
war eine ihrer Devisen.
    »Weißt du,
Katharina, vor einem Jahr habe ich ihn doch zu einem Informationsabend der
evangelischen Kirchengemeinde geschleppt. ›Vorbeugen im Alter‹. Mombauer ist ja
noch fünf Jahre älter als ich. Erst wollte er nicht mit, Männer wollen ja
eigentlich nie zu solchen Veranstaltungen. Die denken doch immer, dass sie sich
schon irgendwie alleine durchbeißen –«
    »Bitte komm zum
entscheidenden Punkt, Irmchen!« Es war zumindest einen Versuch wert, ihre Rede
abzukürzen. Die letzte Spülmaschine lief, ich wollte immer noch ins Bett.
    »Vor allem haben
sie gesagt, dass man gegenseitig auf sich aufpassen soll«, fuhr sie unbeirrt
fort, »und deshalb haben Mombauer und ich uns unsere Wohnungsschlüssel
anvertraut, falls was passiert. Da steckt ja keiner drin in unserem Alter …«
    »Und du bist dann
mit seinem Schlüssel nach oben gegangen?«
    »Ich wollt mich ja
nicht blamieren, indem ich zu früh den Krankenwagen rufe, und dann schnarcht er
da oben selig, alles doch nur ein Traum, und ich stehe als trottelige Alte da.«
    Ich nickte.
Eigentlich war Irmchen keine Umstandskrämerin und auch keine Plaudertasche. Es
war die Aufregung, die sie ohne Punkt und Komma reden ließ. Verständlich,
trotzdem wollte ich nicht den Rest der Nacht mit ihr verbringen.
    »Du hast ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher