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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition)
Autoren: Brigitte Glaser
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wirkte falsch
proportioniert: lange Arme, kurze Beine, ein schwerer Bauch, kaum Haare auf dem
Kopf, dafür buschige Augenbrauen.
    »Leider nicht
mehr.« Ich rang mir ein bedauerndes Lächeln ab.
    »Wo sind die
kleinen Schokoladentörtchen geblieben?«
    Er musterte
verächtlich meine Rundungen, als wären sie ein Indiz dafür, dass ich die
Törtchen selbst gefuttert hatte. Mit einem Durchschnittskörper und einem
Allerweltsgesicht konnte ich nämlich nicht dienen. Rotlockig, weißhäutig,
sommersprossig, einen Meter achtzig groß, mehr als achtzig Kilo schwer, das war
ich. Unübersehbar. Als graue Maus könnte ich mich nicht mal zu Karneval
verkleiden. Bei kleinen Männern wette ich gern mit mir selbst, ob ihnen so
große, schwere Frauen wie ich gefallen. Bei dem Zwerg vor mir tippte ich
eindeutig auf Nein.
    »Schlecht
kalkuliert, was?«, giftete er weiter. »Schokolade geht doch immer, da kann man
nie genug auffahren, merken Sie sich das. Und wo krieg ich jetzt einen
Energieschub für den Rest des Abends her?«
    »Mars?«, schlug
ich vor. »Die nächste Tankstelle ist um die Ecke.«
    Das fand der Mann
nicht witzig. Miesepetrig deutete er auf die Crème brûlée. »Geben Sie mir halt
eines von den Dingern.«
    Wieder warf ich
die Lötlampe an, und in meiner Phantasie röstete ich damit den fetten Bauch
meines Gegenübers. Dieser direkte Kontakt mit unangenehmen Gästen war ein
Grund, weshalb ich das Catering-Geschäft hasste.
    Ich war Köchin,
verdammt! Ich konnte nicht wie Ecki um Gäste herumscharwenzeln. Unwirsch nahm
der Giftzwerg den Nachtisch entgegen und gesellte sich zu der
Kommunalpolitikerrunde. Froh, ihn los zu sein und auch sonst niemanden bedienen
zu müssen, verschränkte ich meine Hände hinter dem Rücken und richtete den
Blick auf die andere Seite des Raumes.
    »Dreißig Jahre CB -Computer Bause«, prangte in knalligem Orange auf
Plakaten und Fahnen, mit denen man den Raum dekoriert hatte, und bei diesem
runden Geburtstag der Firma ließ sich Bause nicht lumpen. Ich hatte keine
Ahnung, was er an Miete für die achtundzwanzigste Etage des LVR -Turms bezahlte, aber ich wusste genau, was Ecki ihm
für das Catering berechnete. Die Summe konnte ich in der »Weißen Lilie« selbst
bei höchster Auslastung an einem Abend nicht erwirtschaften, nur deshalb hatte
ich mich auf dieses Außer-Haus-Geschäft eingelassen.
    Für Ecki war der
gute Deal Wasser auf seine Mühlen. Er würde gern in der »Weißen Lilie« den
Abendbetrieb zugunsten von häufigerem Catering zurückfahren, nur auf
Business-Lunch setzen, aber da biss er bei mir auf Granit. Catering und anderer
Event-Schischi waren ein verlässlicher Streitpunkt zwischen uns beiden.
    Ecki passte gut in
diese luftigen Höhen. Mit zu viel Wiener Walzer im Blut schlängelte er sich
vergnügt mit Champagnerkelchen durch die Gästetrauben. Nein, er spielte nicht
wie Bause Herrscher über die Stadt, ihm fehlte es schlicht an Bodenhaftung. Er
war ein Traumtänzer. Bevorzugt pausierte er in den kleinen Damenrunden, die
sein Tablett nicht nur um einige Gläser erleichterten, sondern seine Scherze
und Komplimente mit aufgeregtem Teenagerkichern quittierten, selbst die
schwarzen Witwen lachten leise. Wiener Schmäh, Kaffeehaus-Charme, das gefiel den
Kölnerinnen. Konnte ich gut nachvollziehen, denn darauf war ich selbst mal
reingefallen.
    Nicht nur Ecki und
der Champagner erhielten regen Zuspruch, auch das Kölsch floss in Strömen, gern
als Herrengedeck mit einem Kabänes genossen. Die offiziellen Reden des Abends
waren lange vorbei, die Schlacht am Buffet war – sah man von einigen
Nachzüglern beim Nachtisch ab – geschlagen. Der lustige Teil des Abends konnte
beginnen. Musikalisch wurde er mit einem Stück der Bläck Fööss eingeleitet. Es
würde nicht lange dauern, bis man sich schunkelnd in den Armen lag und
gemeinsam eines der vielen kölschen Lieder schmetterte. Die meisten Feste in
dieser Stadt endeten irgendwie karnevalistisch.
    Aber noch war es
nicht so weit. Die Musik zu leise, das Gelächter zu dezent, die Alkoholmenge zu
gering, viele Gespräche zu ernst. Ich rechnete hoch, wie lange es dauern würde,
bis ich heute ins Bett kam. Noch zehn Minuten gab ich den letzten Nachzüglern
für eine Crème brûlée. Dann würde ich die Lötlampe wegstecken, die leer gefegten
Schüsseln und Platten in die Kisten packen, alles mit dem Aufzug nach unten
bringen, im Kleintransporter verstauen, damit nach Mülheim fahren und dort die
Spülmaschine anwerfen. Vier Uhr,
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