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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition)
Autoren: Brigitte Glaser
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würde. Immer wieder waren es mindestens zwei Nullen zu viel. Ermattet ließ er
sich gegen die Wohnungstür fallen. Es war alles so anstrengend. Die Welt war
ungerecht. Er stand bis zu den Knöcheln im Verderben, und die Barneck über ihm
ersoff im Geld. Inka von Barneck, reich und schön! – Schramm knirschte mit den
Zähnen. Er hätte gute Lust gehabt, jetzt zu ihr hochzugehen! Es ihr auf einem
Bett aus Kontoauszügen zu besorgen, von denen jeder seine Zukunft dreimal abgesichert
hätte, einen Ring an ihre Hand zu stecken und von ihr zu leben, bis ihm vor
Überfluss die Knöpfe von der Weste sprangen.
    Aber sie war verheiratet. Und er hatte nie ein Wort
mit ihr gewechselt. Denn Schramm war leider nicht der Mutigste.
    Und das machte ihn noch fertiger als die Finanzen.
    Die Gestalt verharrte und sah sich in der dunklen
Wohnung um. Ihre Hände tasteten hin und her wie Ameisenfühler und sanken dann
herab.
    Einiges war nicht so, wie sie es erwartet hatte.
    Unentschlossen wandte sie den Kopf zurück zu der weit
geöffneten Wohnungstür, erahnte im Dunkel den Lichtschalter, streckte einen Arm
aus und hielt wieder inne.
    Leises, zischendes Keuchen kam über ihre Lippen.
    Nein, kein Licht. Das Feuerzeug!
    Trübe, kleine Flamme.
    Aber sie würde reichen.
    CÜPPER
    Dann eben nicht.
    Durch den Regen taumeln, sich betrinken und erkälten,
allzu theatralisch, dämlich. Lieber schlafen gehen in der besten aller
Wohnungen, hundertzwanzig Quadratmeter Altbau, Theodor-Heuss-Ring, Blick auf
den Ententeich.
    Seine Wohnung.
    Im Grunde war er frei. Auch wenn neuerdings jemand
fehlte, von den Möbeln ganz zu schweigen. Hätte sie ihn auch verlassen, wenn er
in einer Bücherei gearbeitet hätte? Oder als Metzger? Oder als Museumsdiener
oder hinter einer Bar? War es überhaupt der Job gewesen?
    Ein guter Polizist ist einsam. Guter Bulle. Braver
Bulle.
    Er schüttelte das Wasser aus den Haaren und ging durch
das fast leere Wohnzimmer in die Küche. Na und? Das hier war sein Reich. Sollte
sie ruhig alles haben, was sie wollte. Nur nicht den Kühlschrank, nicht den
Herd, den Grill, die Tiefkühltruhe, nicht die Marmorarbeitsfläche und die
teuren Messer und die Töpfe, die ganze Pracht und Herrlichkeit. Ansonsten
alles!
    Ach nein. Den Esstisch hätte er schon gern behalten.
Aber es war ihrer. Sie hatte ihn damals mitgebracht. Das Pfand dafür war Liebe
gewesen, und die Liebe war erloschen, ausbezahlt, zurückgegeben.
    Cüpper ließ sich gegen den Herd sinken. Sein Blick
schweifte über die stattliche Kompanie der Gewürzgläser in ihren Halterungen an
der Wand.
    Wie gerne hatte er für sie gekocht.
    Und wie hatte sie genießen können! Ganze Abende hatten
sie damit verbracht, sich gegenseitig Köstlichkeiten in den Mund zu schieben,
hatten sich am bloßen Anblick der Zutaten berauscht, den Staub von alten
Flaschenhälsen geblasen, einander Etiketten vorgelesen, und mit jedem Teller,
jedem Glas war in ihren Augen ein Abbild dessen erschienen, was das Paradies
sein musste, wie er es sich schon damals in der Schule vorgestellt hatte, als
etwas primär Essbares, rundum Köstliches. Er hätte ihr stundenlang zusehen
können, und irgendwann ertappte er sich bei dem Gedanken, selber gar nichts
mehr zu brauchen, einfach der Chronist ihrer Ekstase sein und glücklich neben
ihr verhungern zu dürfen. Vielleicht war das der Punkt gewesen, an dem er sich
die Augen gerieben hatte und plötzlich zu der Überzeugung gelangt war, sich
wieder mehr um seinen eigenen Genuss kümmern zu müssen.
    Das hatte er dann auch getan.
    Und übertrieben.
    Aber zog man deshalb gleich aus?
    Cüpper zuckte die Achseln. Müßig, das Ganze.
    Todmüde ging er los, eine Zahnbürste zu suchen. Falls
noch eine da war.
    BAZAAR
    Schramm hörte den Schrei, bevor er ihn begriff. Dann
    ein Heulen: »Gott! Oh Gott! Oh Gott!!!«
    Sein Herzschlag setzte aus. Alles Blut wich aus seinem
Hirn. Unfähig nachzudenken, festgefroren an der Tür, elektrisiert bis in die
Fingerspitzen, stand er da und biss sich auf die Zunge.
    Da, noch etwas! Schwach. Ein Poltern, oder eher …
nein, jetzt war alles still. Nichts mehr.
    Schramm schloss die Augen und kämpfte gegen die
Übelkeit an.
    Gleichmäßig prasselte der Regen an die Fenster.
    Er lauschte in die plötzliche Stille hinein, während
es in seinen Beinen zu kribbeln begann. Die Schreie waren von oben gekommen,
aus dem fünften Stock, ebenso wie das Poltern – vorausgesetzt, seine
aufgeschreckten Sinne hatten ihm keinen Streich
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