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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied
Autoren: Lisa Papademetriou
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Kapitel 1
    Eis folgt Eis und Flamm’ folgt Flamm’ ,
    Wer einst versunken, für immer verschwand.
    Seefahrerweisheit
     
    Eine bange Vorahnung drückte schwer auf Zoes Brust, als sie sich in dem schummrigen Raum umsah. Ich habe geträumt – aber was? In ihrem Kopf tastete sie nach einer Erinnerung, einem letzten Gedankenfetzen, doch sobald sie danach greifen wollte, fasste sie ins Leere. Sie konnte sich nicht erinnern. Nur eines wusste sie: Sie war froh, dass sie wach war.
    Es war kurz vor Sonnenaufgang, jene Zeit, in der der Himmel langsam heller wird, aber die Welt noch voller Schatten ist. Im Zimmer rührte sich nichts, doch die gelben Vorhänge bei ihrem Schreibtisch bewegten sich sachte. Ein Schauder lief ihr in schnellen Spinnenschritten über den Rücken. »Wer ist da?«, fragte sie.
    Zoe hörte ein Geräusch, ähnlich einem Seufzen, und die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Da war jemand. Eine dunkle Präsenz beim Fenster. Sie konnte beinahe die Umrisse eines Mannes hinter dem gelben Stoff ausmachen.
    Ihre Stimme versagte; sie konnte nicht schreien. Jemand war in ihrem Zimmer. Zoes Gedanken rasten, fieberhaft auf der Suche nach einer Antwort. Es war Kirk. Der verrückte Kirk Worstler – der Zehntklässler, der ständig zusammenhangslos von Seekriegern und Engeln faselte – er war gekommen, um sie zu töten. Er hatte sich schon einmal in ihr Zimmer geschlichen, damals wollte er ihr ein Bild schenken. Meerjungfrauen waren darauf gewesen, eine geheimnisvolle Botschaft, die nur er entschlüsseln konnte.
    »Kirk?«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang laut in der Stille. Zoe setzte sich auf. »Kirk?«, wiederholte sie. Sie blinzelte und schlagartig veränderte sich das Licht. Das graue Halbdunkel löste sich auf wie Nebel in der Sonne. Mit einem Mal erschien alles ganz anders und sie konnte es deutlich sehen: Da war nichts.
    Die Vorhänge bauschten sich auf und Zoe erkannte ihren Fehler. Der Stoff fiel in unregelmäßigen Wellen, sodass es den Anschein hatte, als stände jemand dahinter. Auch das Gefühl, jemand – oder etwas – befinde sich in ihrem Zimmer, war vollständig verschwunden.
    »Traumweben«, sagte Zoe laut. So nannte ihr Vater, Johnny Ellis, das Gefühl, wenn einem beim Aufwachen noch die Reste eines Albtraums durch den Kopf spukten. Sie schob die Bettdecke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. Im nächsten Moment grub sich etwas Scharfes in ihren Knöchel.
    Zoe schrie auf und wich hastig zurück, nur um zu sehen, wie Bananas unter dem Bett hervorpurzelte. Die Katze rollte sich spielerisch auf den Rücken, bevor sie sich aufsetzte und den Schwanz um ihre Vorderpfoten legte, als sei nichts geschehen und als verstehe sie nun wirklich nicht, warum Zoe sich so aufführte.
    »Katze –«, setzte Zoe an.
    Bananas warf ihr lediglich einen kurzen Blick zu, dann begann sie ungerührt, ihre Pfote zu säubern.
    »Lecken wir uns jetzt genüsslich mein Blut von den Krallen?«, fragte Zoe, während sie den Kratzer an ihrem Fuß rieb. Eigentlich war er gar nicht so tief, trotzdem brannte er ganz schön. Als habe die Frage sie zutiefst beleidigt, drehte sich die orange-weiß gemusterte Katze um und stolzierte durch die halb offene Zimmertür.
    Der gestreifte Katzenschwanz verschwand und Zoes Blick wanderte erneut zum Fenster hinüber. Es war nur ein Traum, versuchte sie, sich zu beruhigen.
    Inzwischen drang das Licht durch die Vorhänge und sie konnte den Umriss des Baumes vor dem Fenster ausmachen. Von der dunklen Präsenz war nichts mehr zu spüren … bis auf das bange Gefühl, das Zoe noch immer die Brust zuschnürte.
    Zoe schlüpfte aus ihrem Nachthemd und in ihre roten Laufschuhe. Sie zog ihren Sport-BH an und darüber ein uraltes T-Shirt mit einem Werbeaufdruck für Old Mill, einem Café in einem der benachbarten Orte. Als sie noch in Manhattan gewohnt hatte, war Zoe oft um den See im Central Park gejoggt. Der war ganz in der Nähe ihres Appartements an der Upper East Side gewesen und Zoe hatte es geliebt, am Ufer entlangzulaufen … das und die Tatsache, dass der See von einem riesigen Maschendrahtzaun umgeben war. So konnte sie das Wasser zwar sehen, aber nicht hineinfallen. Zoe mochte kein Wasser.
    Während ihrer Aufenthalte im Sommerhaus war Zoe nur selten joggen gewesen. Dort gab es keinen Bürgersteig entlang der Straße, sodass sie sich nicht wirklich wohlfühlte. Nun, da sie dauerhaft hier leben würden, würde sie jedoch einen Weg finden müssen. Laufen half ihr, in der kalten Jahreszeit
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